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CFS – das härteste Geschenk meines Lebens

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Gastartikel von Sirin Gnadenberg

Mein CFS Genesungsweg – eine Kombination aus unterschiedlichsten Ansätzen.

Fünf Jahre lang habe ich unter dem chronischen Erschöpfungssyndrom ME/CFS gelitten.

Die letzten zwei Jahre davon war ich nahezu ans Haus gebunden.

In meiner Krankheitszeit habe ich sehr viel gelernt und bin für diese Erfahrung inzwischen unglaublich dankbar.

Im Januar 2012 bekam ich einen Infekt mit massiven Halsschmerzen und ich musste ein paar Tage krank im Bett verbringen.

Sobald es mir jedoch wieder einigermaßen besser ging, startete ich wieder durch, ohne mir die Zeit zu nehmen wirklich gesund zu werden. Ich war damals für ein Auslandssemester nach Neuseeland gegangen und allgemein sehr aktiv.

Trainieren und Bewegen (u.a. Akrobatik, Parkour) waren neben dem Studium meine absolute Leidenschaft. Aber seit dem Infekt hatte ich Konzentrationsprobleme und war ständig müde und erschöpft.

Der erste Allgemeinarzt, zu dem ich nach ein paar Monaten in Neuseeland ging, äußerte bereits den Verdacht auf CFS und fand Antikörper des Epstein-Barr Virus in meinem Blut.

Die kommenden Monate schaffte ich es nach ärztlicher Anordnung, mich so weit körperlich zu schonen, dass ich mein Studium weitermachen konnte und auch wieder vorsichtig trainieren ging. Alle Aktivitäten, die nicht auf Ausdauer basierten, wie Akrobatik und Klettern, funktionierten relativ gut.

Allerdings musste ich viel mehr Pausen machen, schaffte insgesamt sehr viel weniger und musste mich langsamer bewegen als früher. Mich richtig auszupowern und danach gut zu fühlen war nicht mehr machbar.

Nach zwei Jahren verlor ich die Geduld mich zu schonen und beschloss einfach wieder alles zu machen, worauf ich Lust hatte. Ich ging zu jedem Training und wollte endlich mein Studium zügig beenden. Ich ignorierte die Erschöpfung und ging wieder und wieder über meine Grenzen, bis es gar nicht mehr ging.

Am Ende war ich total erschöpft und die kommenden zwei Jahre nahezu ans Haus gebunden.

Die POTS Symptome (Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom. Es steht für einen übermäßigen Pulsanstieg im Stehen, inklusive Schwindel) verschlimmerten sich. Mehr als ein paar Meter zu gehen waren ohne Pausen im Sitzen oder Liegen nicht mehr möglich.

Nur wenige Stunden am Tag war ich wach, und in diesen litt ich unter einem völlig vernebelten Kopf (Brainfog). Ich konnte mich überhaupt nicht mehr konzentrieren.

Physisch versuchte ich innerhalb meiner Grenzen zu bleiben, aber diese waren so eng, dass ich immer und immer wieder scheiterte.

Ich vermisste mein altes Leben wahnsinnig, wollte einfach nur zurück dahin und dachte zu diesem Zeitpunkt noch, dass doch vorher alles super war.

Im April 2015 schenkten mir meine Eltern ein Tandem, das war großartig!

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Langsam auf dem Fahrrad durch die Gegend zu rollen, klappte immer besser als zu gehen. Hinten auf dem Tandem zu sitzen, die Füße hoch auf den Rahmen zu legen und bei Bedarf einfach die Augen zu schließen, um Energie zu sparen, funktionierte für mich ziemlich gut.

Mein Partner und ich konnten auf diese Weise wieder zusammen rausgehen und Naturabenteuer erleben. Die Herausforderung dabei war, nichts darauf zu geben, was die Leute von mir denken würden, wie z.B. „die faule Freundin, die sich von ihrem starken Mann durch die Gegend kutschieren lässt”.

Das Gleiche musste ich lernen, wenn mich mein Freund im Einkaufswagen durch den Supermarkt schob und ich mir wie ein Kind von rechts und links Sachen aus den Regalen nahm.

Um bei Spaziergängen und anderen Aktivitäten mit dabei sein zu können, fing ich an einen alten Rollstuhl zu benutzen. Das gab mir sehr viel mehr Freiheit, fühlte sich aber gleichzeitig auch an, nun wirklich schwer krank zu sein.

Obwohl ich nur wenige Meter am Stück laufen konnte, war ich an guten Tagen immer noch in der Lage Handstände und Akrobatikfiguren zu machen. Dafür brauchte ich keine Ausdauer und aus irgendeinem Grund blieb mir meine Muskelkraft unglaublich gut erhalten.

Wenn man in einem Rollstuhl durch die Gegend geschoben wird und dann aufsteht, um einen Handstand oder ein Akrobatikfoto zu machen, ist das etwas merkwürdig und als Beobachter schwierig zu verstehen. Wieder stellte ich mich dieser Herausforderung – egal was die Leute von mir dachten.

Gelernte Lektion 1:
Höre auf, dich darum zu kümmern, was die Leute über dich denken und tue einfach, was sich richtig für dich anfühlt und für dich funktioniert!


Als ich weder geistig noch körperlich irgendetwas leisten konnte und gefühlt nur noch anderen zur Last fiel, fragte ich mich oft:

Was bin ich denn noch?
Was ist von mir übrig geblieben?

Meine Antwort war: NICHTS.

Ich kann nichts tun oder zur Gesellschaft beitragen, also bin ich nichts.

Und vielleicht war das ein Wendepunkt: die Notwendigkeit und die Chance herauszufinden, WER oder was ich wirklich bin. Mich für das Sein wertzuschätzen und nicht für das Tun, war und ist eine Reise, die immer noch weiter geht.

Gelernte Lektion 2:
Liebe dich selbst fürs bloße SEIN und nicht für das, was du leisten kannst/was du leistest!

In dieser Zeit bin ich auf eine Webseite über zehn verzerrte Denkmuster bei chronischer Krankheit (und auch bei Gesunden) gestoßen.
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Diese Denkmuster wahrzunehmen und zu verändern, hat mir dabei geholfen meine Stimmung und Bewertung von Situationen zu verbessern.

Einmal war ich mit Freunden im Park. Anschließend gingen alle zusammen zu einer Freundin, um dort gemeinsam zu kochen und zu essen. Da ich schon wieder viel zu müde war, um ohne Schlaf durchzuhalten, bot mir meine Freundin an, mich in ihrem Bett hinzulegen, während die anderen kochten.

Als ich alle in der Küche reden und lachen hörte, begannen die dunklen Gedanken. Selbstmitleid und ein wenig Neid stiegen in mir auf: Die anderen hatten Spaß und ich konnte nicht dabei sein.

Aber ich bemerkte und stoppte diese Gedanken und fokussierte mich stattdessen auf die wunderschöne Zeit im Park und welch wunderbare und unterstützende Freunde ich hatte. Ich war dankbar dafür, dass ich bei meiner Freundin Pause machen durfte und später beim Abendessen wieder dabei sein konnte. Und dann konnte ich mich entspannen!

Gelernte Lektion 3:
Fokussiere dich auf das, was du tun kannst und nicht auf das, was du nicht kannst!

Im Oktober 2015 schaute ich ein Video von Lissa Rankin. Sie sagt, dass der menschliche Körper unglaubliche Heilkräfte besitzt, die aber nur funktionieren, wenn der Körper im Entspannungsmodus ist. Davon inspiriert beschloss ich: Ja, ich aktiviere meine Heilungskräfte und werde wieder gesund!

Ich verschrieb mir selbst u.a. ein Rezept:

  • Mehr Kontakt zu Freunden
  • Mehr Meditationen
  • Mehr Dinge finden, die mir Spaß machen und die ich auch machen kann.

Ich war damals noch nicht ganz so weit, tatsächlich zur Heilung zu kommen und habe mir dazu auch keine Hilfe von Außen geholt. Aber es war ein Anfang und es besserte sich einiges.

Gelernte Lektion 4:
Entspanne dich und reduziere Stress! Das ist elementar wichtig!


Durch die Krankheit gab es viele Phasen, in denen ich unglücklich, verzweifelt und sehr frustriert über mich selbst war. In dieser Zeit blieb mein Partner immer häufiger auch über Nacht weg.

Wenn er dann endlich nach Hause kam, war ich schon so sauer, dass ich so tat, als ob ich schliefe oder mich abwandt, obwohl ich mich so verzweifelt nach seiner Gesellschaft sehnte.

Irgendwann realisierte ich, dass ich etwas tun musste.

Ihn zum Bleiben zu zwingen, machte keinen von uns glücklich. Also begann ich, an mir selbst zu arbeiten und daran, mich selbst glücklich zu machen, anstatt zu erwarten, durch andere glücklich zu werden.

Je mehr ich es schaffte, mit mir selbst im Frieden und in einer besseren Grundstimmung zu sein, desto häufiger war er wieder zu Hause und verbrachte Zeit mit mir.

Gelernte Lektion 5:
Du bist für deine Stimmung und Gefühle verantwortlich, nicht die anderen!


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Im Frühjahr 2016 verbrachte ich viel Zeit im Garten und auf dem Balkon. Weil ich oft nur unbeweglich herum saß oder lag, bemerkte ich plötzlich viel mehr Vögel und Eichhörnchen als vorher und fing an, diese zu fotografieren.

Das machte Spaß und tat mir gut.

Nach vielen eigenen Recherchen fing ich im April 2016 an, Salz in mein Trinkwasser zu geben und trank dieses literweise. Dadurch verbesserten sich die POTS Symptome deutlich, wodurch auch meine Gehstrecken wuchsen und der übermäßige Wasserbedarf sich normalisierte.

In dieser Zeit wollte ich neben dem “unheilbaren” CFS auch etwas Behandelbares finden.

Durch Anregungen aus einer CFS Facebook-Gruppe entschied ich mich dazu, einen Borreliose-Spezialisten aufzusuchen, um alles abzuklären, was nur möglich war.

Der Arzt untersuchte mich sehr gründlich, stellte viele Fragen und versprach mir:

„Dich kriegen wir wieder gesund!“.

Alle Borreliosetests waren negativ, aber er fand erhöhte Antikörper für einige andere Bakterien (Bartonellen, Chlamydien, Mykoplasmen) und ich nahm 16 Wochen lang Antibiotika.

Die folgenden Monate ging es weiter langsam bergauf. Es war schwierig, nicht die Geduld zu verlieren bei dem sicheren Wissen: Ich bin auf dem Weg der Genesung. Zur gleichen Zeit hatte ich auch in der Berliner Charité die offizielle Diagnose „post-infektiöses Chronic Fatigue Syndrom“ erhalten.

Im März 2017 wollte ich die Dinge beschleunigen und beschloss in die Natur zu gehen, um meine Heilkräfte wieder zu finden.

Ich übernachtete eine Woche lang im Clubhaus in unserem Segelverein direkt am Steinhuder Meer. Weil es dort keine Kochgelegenheit gab, kam ich auf die Idee des Heilfastens. Was ich darüber las, inspirierte mich und dieser Weg fühlte sich richtig an.

Den ersten Fastentag ging es mir körperlich ziemlich gut, dann ging es bis Tag 4 abwärts. Diesen Tag musste ich größtenteils im Bett verbringen. Mit meinem jetzigen Wissen hätte ich meinen Körper beim Entgiften noch viel besser unterstützen können.

Trotzdem – von da an ging es aufwärts.

Ich konnte meine Spaziergänge immer weiter ausdehnen und die Pausen verringern. Ich umarmte Bäume, meditierte in der Natur und schaute auf den See hinaus. Ich sah mich selbst als einen Baum: Die Zeit der Krankheit war mein Winter und jetzt war ich, wie alle Bäume um mich herum, im Frühjahr bereit, voller neuer Energie wieder auszutreiben und ins Leben zu starten.

Am 9. Tag fing ich an wieder normal zu essen, am 10. Tag putzte ich die ganze Küche und fuhr zum ersten Mal wieder zum Akrobatiktraining auf meinem Rad den Hügel hinauf.

Die folgenden Wochen konnte ich viel mehr tun als zuvor. Ich konnte fast täglich neue Bestleistungen feiern, allerdings meistens nur eine Aktivität pro Tag.

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Bei einem „Heile-dich-gesund-Kongress“ erhielt ich dann die Anleitung zu einer Leberreinigung, die ich schließlich im Mai machte und die mir erneut deutliche Verbesserungen meines körperlichen Zustands brachte.

Ich aß immer mehr Wildkräuter und rohes Gemüse und nahm an einem Online Kurs teil, bei dem energetisch negativ gespeicherte Emotionen aus dem Körper gelöst werden („Zurück zum Ursprung“, Teilnahme an „live sessions“, die mit unserem Energiefeld arbeiteten). Das war die Zeit, in der ich fast wieder gesund war.

Im Sommer 2017 konnte ich mein Studium wieder aufnehmen und im August wurde ich Teil einer Zirkuskompanie, in der ich neben dem Studium aktiv war.

Zweimal die Woche hatte ich Training und schaffte es, mein Studium gerade noch rechtzeitig zu beenden, bevor das Diplomstudium abgeschafft wurde.

Nachdem ich meine Diplomarbeit nach einem intensiven Schlussspurt im Juni 2018 abgegeben hatte, startete ich eine zweimonatige Fahrradtour, 2000km durch Schweden und Finnland.

Ein Traum, den ich nun endlich umsetzen konnte.

Es war großartig!

Wenn ich die Berge hochfuhr, ohne wirklich außer Atem zu kommen, dachte ich manchmal mit Erstaunen an die Zeiten zurück, in denen ich an den geringsten Steigungen gescheitert war.

Es fühlt sich einfach wunderbar an, wieder so weit laufen zu können wie ich will, zu rennen und vor Freude durch die Gegend zu springen, einfach weil ich es kann.

Es ist toll, diese einfachen Dinge des Lebens nun so unglaublich wertschätzen zu können, weil ich weiß, dass sie eben nicht so selbstverständlich sind wie ich früher immer dachte.

Rückblickend finde ich es schwierig zu sagen, was mich wirklich weitergebracht hat und was nicht.

Dennoch glaube ich, dass mir Folgendes auf meinem Weg der Genesung geholfen hat:

  • Selbstliebe und Wertschätzung für mein Sein und nicht nur für meine Leistungen,
  • physischen Grenzen einhalten, z.B. mithilfe einer Pulsuhr
  • mehr Achtsamkeit leben und herausfinden, was mir gut tut und das immer häufiger tun,
  • viele Wildkräuter und „Grünzeug“ essen (grüne Smoothies, u.a. mit Brennnesseln, Mangold),
  • Hoffnung: ein Arzt, der mir versprach, dass ich wieder gesund werde, bevor er mir Antibiotika gegen eine chronische Bakterien-Infektion verschrieb,
  • Entgiften: Heilfasten und Leberreinigung (allerdings erst, als es mir schon wieder deutlich besser ging).

Meine wichtigste Lernaufgabe war eindeutig die Selbstliebe.

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Heute weiß ich: Wenn ich nicht angefangen hätte, mich selbst zu lieben, wäre ich nicht wieder gesund geworden.

Dann und wann falle ich zurück in alte Muster und definiere mich und meinen Wert wieder über meine Leistungen.

Ich arbeite also nach wie vor an meiner Selbstliebe und daran, meine Gedanken, Gewohnheiten und Muster weiter „aufzuräumen“.

Ich dachte, wenn ich wieder gesund bin, würde alles automatisch einfach und großartig sein. Allerdings habe ich auch jetzt noch ab und zu Phasen von Energielosigkeit, die aber meistens aus meiner eigenen Unentschlossenheit und Ziellosigkeit resultieren und die vermutlich normal sind.

Das Leben stellt uns einfach immer wieder vor neue Herausforderungen.

Egal wie sehr ich diese Krankheit zwischenzeitlich gehasst und verabscheut habe, sie war doch das beste und härteste Geschenk meines bisherigen Lebens.

Durch die Zeiten der Krankheit habe ich angefangen, mich selbst zu finden, mich zu zeigen und herauszufinden, was mir wirklich wichtig ist im Leben.

Ich habe begonnen, mich selbst zu lieben und zu akzeptieren wie ich bin, und nun bin ich dabei immer tiefer in eine neue Welt der
Spiritualität, der Möglichkeiten und Wunder einzutauchen.

Ich bin auch dabei herauszufinden, was ich tatsächlich mit meinem Leben anfangen will.

“Wie ein Baum aus dem Winterschlaf will ich erwachen.
Noch sehen die Bäume fast alle wie tot aus, aber in ihnen ist alles startklar und energiegeladen.
Bald sprießen die ersten Blätter und Blüten und alles grünt und blüht und ist voller Leben.
Mein Winterschlaf ist jetzt vorbei.
Ich bin bereit.
Mit den Füßen fest verwurzelt, mein Frühling kann starten.“


Danke fürs Lesen! Ich hoffe, meine Geschichte kann dir Hoffnung und ein paar Ideen für deinen eigenen Weg in ein neues Leben geben!
Ich wünsche auch dir einen baldigen Frühling!

Zwei weitere passende und hilfreiche Blogartikel dazu:
ME CFS – ist Heilung möglich?
Von CFS geheilt: Diese Erfahrungen zeigen, dass es möglich ist.

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