Die multisystemische Krankheit ME/CFS
Komplex.
Verwirrend.
Durcheinander.
Diese Worte kommen bei der multisystemischen Krankheit ME/CFS in den Sinn.
Aber was bedeutet dieses Multi-System? Und welche Systeme im Körper sind beim chronischen Fatigue-Syndrom angegriffen?
Auf diese Fragen gehen wir in diesem Artikel ein.
Der menschliche Körper ist wie eine pulsierende Stadt
Stell dir eine Stadt vor, am besten noch einen Stadtstaat wie Singapur. Vom Satelliten aus betrachtet ist die Stadt ein Wirrwar an Lichtern, Bewegungen und auch vielen dunklen Ecken. Aber in Wirklichkeit ist dieses Wirrwar gut organisiert und aufeinander abgestimmt. Und auch in den dunklen Ecken ist jede Menge los.
Gesetze, Regeln, eine gemeinsame Sprache und funktionierende Kommunikationssysteme sorgen dafür, dass die Stadt gesund pulsiert. Verschiedene Systeme sind gut aufeinander abgestimmt und machen ihre Arbeit.
- Der Zoll achtet darauf, dass keine Waren eingeführt werden, die den Menschen schaden könnten. Oder diese Güter werden zumindest entsprechend gekennzeichnet.
- Die Polizei kümmert sich darum, dass die Bürger beschützt sind und den Kriminellen das Handwerk gelegt wird. (Auch in den dunklen Ecken)
- Dank des Wirtschaftssystems mit ihren Firmen, Händlern und Geschäften haben die Menschen ein gutes Einkommen, können ihre Bedürfnisse stillen.
- Wellness-Anbieter, Cafés, Freizeitparks und schöne Parks geben den Bürgern die Gelegenheit, sich zu entspannen und die Freizeit zu genießen. Herrlich.
- Durch das Transportwesen mit Straßen, U-Bahn und Taxis können die Menschen überall hingelangen.
- Durch Smartphone, Internet und Telefonleitungen können sie überall miteinander kommunizieren.
- Und dann sind da noch die Ärzte, Krankenhäuser und Therapeuten, die sich um die Gesundheit der Bevölkerung kümmern. Es ist an alles gedacht.
Die Stadt ist ein hoch komplexes multi-systemisches Geflecht. Die einzelnen Systeme interagieren miteinander, sind aufeinander abgestimmt, voneinander abhängig.
Und nun der Vergleich zum menschlichen Organismus.
Im Vergleich zum Körper ist das hoch entwickelte Singapur trotzdem nur wie ein Puzzle für 3-Jährige. Der Körper ist wesentlich komplexer.
Je mehr ich ihn studiere, desto fasynierter bin ich. Aber auch verwirrter. Die medizinische Forschung ist auf der einen Seite zwar schon recht weit, aber irgendwie auch noch enorm unwissend, wenn es um die Zusammenhänge geht.
Sollen wir deshalb aufgeben? Bloss nicht! Mit diesem Artikel möchte ich für mich und dich das Wirrwar etwas entwirren und ein Stück besser verstehen, was es mit der multisystemischen Krankheit ME/CFS auf sich hat.
Was passiert, wenn das Kommunikationssystem zusammenbricht
Nun stell dir vor, dass die alte biblische Geschichte von der Sprachverwirrung stattfindet. Wie bei einem Horror-Film. Die Menschen verstehen sich nicht mehr. Sie sprechen noch dieselbe Sprache, nutzen dieselben Worte. Aber für jeden haben die Worte eine andere Bedeutung.
Der eine versteht unter „Gefährlich“ den Begriff „Anziehend“. Gutes und Schlechtes wird verwechselt, Botschaften werden falsch interpretiert.
- Gefährliche Waren passieren einfach so den Zoll, Gefahrenschilder werden als harmlos angesehen. Bedrohlich!
- Kriminelle können nicht mehr erkannt werden. Stattdessen sperrt die Polizei oft gesetzestreue Bürger ein.
- Die Firmen erhalten falsche Waren, können nicht mehr vernünftig produzieren oder guten Service anbieten. Frustrierend.
- Im Café erhalten manche Besucher giftige Reinigungsmittel statt grüne Smoothies oder leckeren Cappuccino. Fatal.
- Fahrgäste wollen in die Südstadt reisen und enden im Norden ab. Enttäuschend.
- Und die Ärzte? Sie verwechseln die Mittel und machen die Patienten noch kränker. Mörderisch.
Je schlimmer diese Sprachverwirrung ist, desto fataler für die Stadt. Für eine Zeit mag sie vielleicht noch pulsieren und auf einem bestimmten Niveau funktionieren. Aber irgendwann wäre diese „multi-systemische“ Stadt so geschädigt, dass sie lahmgelegt ist.
Leer.
Ausgebrannt.
Tod.
Mit diesem Vergleich können wir uns das multi-systemische chronische Fatigue Syndrom etwas erklären. ME/CFS ist sozusagen das Erleben, wenn die Organe nicht mehr vernünftig funktionieren UND miteinander kommunizieren.
- Botenstoffe, Vitamine, Mineralien und Informationen werden an den falschen Orten oder mit den falschen Etiketten abgeliefert oder von den Empfängern falsch eingeordnet, z.B. als belanglos abgespeichert.
- Notwendige Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel werden zwar geschluckt, aber vom Körper nicht vernünftig aufgenommen.
- Andere guten und gesunden Lebensmittel werden als Gefahr interpretiert und der Körper reagiert mit Allergien und Entzündungen.
- Die Nervenbahnen senden ständig falsche Signale durch den Körper. Auch im entspannten Ruhezustand schreit das Nervensystem ständig „Gefahr“.
- Das Gehirn kann manche Signale nicht mehr vernünftig aufnehmen und sorgt für Schwindel, Gedächtnisschwäche und Wortfindungsstörungen.
Man könnte noch mehrere Beispiele bringen, aber es soll uns hier nur um das Prinzip gehen. Klar ist:
Es herrscht Chaos.
Manche Systeme laufen auf Sparflamme, andere Organe kämpfen Tag und Nacht ums Überleben. Und überall gibt es Missverständnisse in und zwischen den Systemen.
Das Frustrierende für uns als ME/CFS Betroffene ist, dass wir anscheinend „alles richtig“ machen können, aber trotzdem geht es uns weiterhin so schlecht.
- Der Nachbar mit einem „normal funktionierenden Organismus“ ernährt sich wahrscheinlich nur halb so gesund wie wir, aber er ist weitaus fitter.
- Die Freundin hat wesentlich mehr Stress als wir in unserer Abgeschiedenheit- und doch schrecken wir schon bei einem Auflachen im Nebenzimmer auf, weil wir so sensibel auf Geräusche und Licht reagieren.
- Die Kollegin schreibt uns begeistert an, weil die Einnahme von Vitamin D ihr total geholfen hat und auch uns wieder auf die Beine bringen wird. Dabei weiß sie nicht, dass unser Vitamin D Wert schon weit über ihrem Wert liegt und trotzdem nicht dieselben Ergebnisse bringt.
Nein, das chronische Fatigue Syndrom kann nicht allein durch die Einnahme von ein paar Nahrungsergänzungsmitteln oder einer anderen einzelnen Maßnahme verbessert werden. Zumindest nicht in den meisten Fällen. Weil es eben eine chronische multisystemische Erkrankung ist.
Aber welche Systeme sind denn nun betroffen?
Und kann man überhaupt etwas tun? Spoiler: Ja, man kann!
Die verschiedenen angegriffenen Systeme bei ME/CFS
Kleine Vorbemerkung: Analytisch, wissenschaftlich und aufgeklärt wie wir im 21. Jahrhundert sind, versuchen wir das hoch komplexe Geflecht im Körper in Systeme zu gliedern. Das hilft uns, den Organismus strukturiert und strategisch zu studieren und zu verstehen.
Auf der anderen Seite dürfen wir nicht vergessen, dass alle Systeme auf verschiedenen Ebenen miteinander verbunden sind und kommunizieren. Im Grunde ist unser Körper ein großes, komplexes System. Trotzdem hilft es, dass wir diese Komplex in Systeme einteilen.
CFS und das Immunsystem
Die meisten CFS Erkrankungen werden durch einen Virus-Infekt getriggert. Erst eine „normale“ Grippe oder sonstigen Infekt, anschließend kommt man einfach nicht mehr auf die Beine. Betroffen ist also klar das Immunsystem.
Das Immunsystem ist sozusagen – in der Metapher des Stadtstaats – eine Kombination aus Zoll, Polizei, Gesundheitswesen und einer guten Kommunikationsstruktur. Es sorgt z.B. dafür, dass gefährliche Viren, Bakterien und Giftstoffe im Körper sofort abgewehrt und vernichtet werden.
In jeden Körper gelangen schließlich täglich unzählige Angreifer, wie z.B. auch der Covid-19 Virus. Aber diese Viren machen nicht jeden Körper krank, denn in einem starken Immunsystem wirkt der Virus wie ein 9-jähriger Pimpf, der sich die Ärmel hochkrempelt und gegen einen 120kg schweren Boxer kämpfen will.
Wenn das Immunsystem allerdings geschwächt ist und nicht vernünftig funktioniert, dann kann jeder Virus viel Unheil anrichten. Wie eben bei ME/CFS Betroffenen. Die Folge: Man wird schnell krank, erkältet oder entzündet sich; und es dauert lange, bis der Infekt wieder abheilt. Wenn überhaupt.
CFS und das Nervensystem
Im Gehirn und Rückenmark befindet sich das zentrale Nervensystem. Der Vagus-Nerv läuft dagegen vom Gehirn runter in alle Regionen und Organe des Körpers. Er ist der wichtigste Nerv des vegetativen Nervensystems.
Das gesamte Nervensystem hat die Aufgabe, äußere und innere Signale aufzunehmen, sie zu interpretieren und die Informationen an die verschiedenen Organe weiterzuleiten. Sozusagen ein extrem wichtiges Kommunikationsorgan. Wie die Medien-Stationen einer Großstadt. Und wir wissen ja – Medien könnten uns so informieren, dass wir einen objektiven, gesunden und wahrheitsgemäßen Eindruck der Wirklichkeit bekommen.
Oder – was ja leider meistens der Fall ist – können die Medien uns auch viel Unsinn auftischen, die Wahrheit verdrehen und uns Angst machen, obwohl gar keine Gefahr besteht. Echt gemein.
Auf ähnliche Art kommuniziert das Nervensystem bei ME/CFS auf eine gemeine und falsche Art (zumindest teilweise). Signale werden falsch kommuniziert, der Körper bleibt ständig in Alarmbereitschaft, ist ganz erregt vor „lauter schlechten Nachrichten“. Dabei sind dies keine Nachrichten die uns kognitiv erreichen, sondern die unbewusst in unserem Körper an die verschiedenen Organe kommuniziert werden. Also ganz autonom.
Die Folgen sind z.B. ein ständiges Stressgefühl, angespannte Nerven, Kopfschmerzen, Schwindel, Wortfindungsstörungen, veränderter Pulsschlag, Schlafstörungen, und auch Verstopfung oder Durchfall. Warum der Vagusnerv so wichtig ist, liest du in diesem Artikel.
Und wieder zeigt sich, wie stark die einzelnen Systeme miteinander verbunden sind. Denn Verstopfung und Durchfall hat tatsächlich viel mit dem Nervensystem zu tun, aber natürlich auch mit dem Verdauungssystem.
CFS und das Verdauungssystem
Das Verdauungssystem sorgt dafür, dass die Nahrung vernünftig aufgenommen, zerlegt, genutzt und (der unbrauchbare Rest) wieder ausgeschieden wird. Der ganze Prozess fängt beim Kauen an und hört beim Kacken auf.
Das Verdauungssystem ist extrem wichtig, um die aufgenommen Rohstoffe und die Energie für den Körper brauchbar zu machen.
Aber nicht nur das!
Der Darm wird heute von Medizinern als zweites Gehirn angesehen. Denn er erhält nicht nur Informationen vom Gehirn, sondern er sendet auch Informationen zurück an das Gehirn. Ist der Darm also beschädigt, hat es Auswirkungen auf die obere Kommandozentrale (Gehirn). Ein sehr spannendes Thema, das hier nur kurz erwähnt sein will.
Leider ist durch unsere moderne Ernährung das Verdauungssystem bei den meisten Menschen gestört. Bis zu einem gewissen Grad kann man dies noch als „normal“ abtun. Jeder hat schließlich mal Verstopfung, Blähungen oder Durchfall, reden wir uns ein. Und tatsächlich ist alles noch im grünen Bereich, wenn es sich um Ausnahmen handelt.
Gefährlich wird es, wenn diese Ausnahmen chronisch werden und sich verschlimmern. Meist merken wir diese Verschlimmerung erst, wenn es zu spät ist. Wenn sich mittlerweile so viele ungesunde Pilze und Bakterien im Darm angesiedelt haben, dass es nun zu weiteren gesundheitlichen Störungen kommt. Die Folge sind nicht nur die üblichen direkten Übelkeiten wie Erbrechen, Durchfall, Verstopfung oder Blähungen. Auch alle möglichen indirekte Folgen treten auf wie Allergien, Entzündungen, nässende Hautveränderungen, Erschöpfung, Infektanfälligkeit.
UND durch die geschädigte Darmflora werden auch die anderen Organe angegriffen.
Ein fataler Teufelskreis.
CFS und das Entgiftungssystem
Dass täglich Giftstoffe in unseren Körper eindringen, können wir nicht ganz verhindern. Ob durch die Luft, das Wasser oder die Lebensmittel. Wie gut, dass der Körper einige gute Entgiftungsorgane hat. Über die Haut und den Atem wird z.B. schon einiges Gift wieder ausgeschieden.
Die Haupt-Entgifter sind allerdings die Niere und die Leber. Über diese beiden Organe werden die meisten Toxine gebunden und wieder ausgeschieden. Aber wie beim Entsorgungssystem einer Großstadt auch – wenn die Stadt mit viel zu viel Gift und Schrott zugemüllt wird, ist auch die Müllabfuhr irgendwann überfordert.
Genauso auch bei der Leber und der Niere. Dann sind diese Organe kein Entsorgungssystem mehr, sondern eher eine Müllhalde mit viel zu viel Giftstoffen.
Die Entgiftung des Körpers ist für ME/CFS Betroffene deshalb ein wichtiges Thema. Denn nur in einem entgifteten Körper
- können die andere Systeme vernünftig funktionieren,
- werden Nährstoffe vollständig aufgenommen,
- können Entzündungen und Schmerzen besser abheilen,
- wird das Immunsystem gestärkt,
- hat der Körper genügend Energie und Lebenskraft.
CFS und das Hormonsystem
Die Hormone sind sozusagen die Postboten und Botschafter einer Stadt. Die Botenstoffe sorgen u.a. dafür, dass der Energie- und Wasserhaushalt gesund reguliert wird. Dafür ist es wichtig, dass die Hormone perfekt aufeinander abgestimmt sind und gut zusammenarbeiten. Arbeiten manche Hormone nicht vernünftig oder werden gar nicht erst vom Körper produziert, kann einiges passieren:
- Durch fehlendes Serotonin oder Dopamin (Glückshormone) kann es zu Depression und Gefühlsschwankungen kommen.
- Zu viel Cortisol im Körper kann dich kurzfristig leistungsfähiger machen. Aber wenn der Körper ständig zu viel oder zu wenig Cortisol produziert (wie bei ME/CFS oft der Fall), kommt es zu einer ständigen Stressbelastung für den Körper. Als müsste er Tag und Nacht einen Marathon laufen. Als Folge könnte man hier wieder eine ganze Palette an ME/CFS Symptomen nennen.
- Wenn das Schilddrüsenhormon L-Thyroxin nicht seine Arbeit macht, kann die Schilddrüse und der Hormonhaushalt nicht ausgeglichen arbeiten. Und wieder könnte hier eine der Ursachen für viele ME/CFS Symptome liegen.
Natürlich gibt es noch viele weitere Hormone, die verrückt spielen könnten. Diese Auswahl soll nur einen kleinen Einblick geben. Denn es geht in diesem Artikel ja um das größere Bild – dass ME/CFS eben eine multisystemische Krankheit ist. Eine gemeine Erkrankung, die alle Systeme anzugreifen scheint und unserem Körper die nötige Energie raubt.
CFS und das Energiesystem
Energie ist nicht sichtbar, wird in der Schulmedizin schon mal gerne übersehen, und doch ist gerade sie im Körper extrem wichtig.
Denn ohne Energie kein Leben.
Viele ME/CFS Betroffene haben gerade noch so viel Energie, dass die Organe nicht versagen und man die wichtigsten Dinge wie Essen und Waschen erledigen kann. Aber zum Sport, Spiel und Spaß reicht sie oft nicht mehr aus.
In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) ist die Lebensenergie (Qi) ein fundamental wichtiger Begriff. Viele Krankheiten entstehen, wenn dieses Qi gestört ist. ME/CFS ist laut der TCM hauptsächlich ein Energiemangel, hervorgerufen durch eine Disharmonie zwischen bestimmten Organen. Sehr empfehlenswert, hier mal mehr zu recherchieren.
In der Schulmedizin kommt das Thema Mitochondrien immer stärker in den Fokus. Die Mitochondrien sind die kleinen Kraftwerke in unseren Zellen, die jeden Tag bis zu 70 kg Energie in Form von ATP produzieren. Immer nur für den gerade benötigten Energiebedarf.
Und hier scheint eine der Hauptursachen bei ME/CFS zu liegen: Der Körper produziert nicht mehr genügend ATP (Energie). Dieses ATP wird dazu auch noch schneller aufgebraucht als im gesunden Körper.
Und die dritte Gemeinheit: Die Mitochondrien brauchen viel länger, um wieder genügend ATP für die nächste Anstrengung zu produzieren. Dadurch erklärt sich dieses Dilemma, dass man bei kleinen Anstrengungen schon solch einen Rückfall bekommen kann, dass die CFS-Helden die nächsten Tage nur im Bett liegen können.
Erst am Anfang dieser multisystemischen Krankheit
Jetzt hast du schon über 2000 Wörter gelesen und wir haben erst die Oberfläche angekratzt. Zu jedem System wurden Bücher geschrieben, viele wissenschaftliche Studien durchgeführt, Konferenzen abgehalten.
Auch in Bezug zu ME/CFS gibt es schon einige gute Erkenntnisse. Deshalb lohnt sich das Lesen und Forschen. Lass uns also dranbleiben und nicht aufgeben.
Ich brauche diese Hoffnung.
Du auch, oder?
Zusammenfassung
Mit diesem Text wollte ich vor allem folgendes formulieren: ME/CFS ist eine multisystemische Krankheit, bei der alle Systeme angegriffen sind. Das chronische Fatigue System ist wie eine große Stadt, in der Alarmzustand herrscht.
- Die Bewohner sprechen nicht mehr dieselbe Sprache – es herrscht das kommunikative Chaos.
- Giftstoffe passieren einfach so den Zoll, während wichtige Medikamente (gute Nährstoffe) vom Zoll nicht zugelassen werden.
- Müllberge lagern sich in den Straßen, verstopfen die Wege und machen die Bewohner krank. Kriminelle dürfen sich alles erlauben und wichtige gute Bürger werden verhaftet.
- Die Wirtschaft funktioniert nicht mehr, Bürger bekommen keinen Service geboten und Freizeitaktivitäten sind sowieso kaum noch vorhanden.
- Die Stadt liegt im Chaos. Reglos, energielos, fast wie tot.
Dies ist meine persönliche Illustration von diesem gemeinen, multi-systemischen chronischen Erschöpfungssyndrom.
Und so fühle ich mich oft auch.
Aber es gibt Hoffnung.
Das Wirrwarr lässt sich entwirren
Als ich einige Zeit im Libanon lebte, war das Autofahren ein Abenteuer. Regeln wurden kaum eingehalten, manchmal fuhren Autos auf der Autobahn in die entgegengesetzte Richtung. Mir als junger Mann machte das echt Spaß.
Dann kam ich eines Tages an diese Kreuzung.
Von allen Seiten fuhren die Autos drauf los und versuchten, die Kreuzung zu überqueren. Aber dieses Mal waren es zu viele. Nach wenigen Minuten war der Platz ein riesiges Wirrwarr an hupenden Autos. Von allen vier Seiten kamen weitere Autos dazu, die das Chaos noch vergrößerten. Es erschien mir unmöglich, dass man diesen Knoten lösen könnte. Ob ich wohl die nächsten Jahre diesen Ort meine Heimat nennen muss?
Tatsächlich dauerte es über 1,5 Stunden, bis dieses Wirrwarr mithilfe der Polizei wieder entwirrt wurde und ich weiterfahren konnte.
Es dauerte.
Aber das Problem wurde gelöst.
Diese Situation gibt mir Mut.
Ja, es mag lange dauern, diese verschiedenen Fehlfunktionen im Körper wieder hinzubekommen und die Systeme wieder gut aufeinander abzustimmen. ME/CFS heilt sich (mit ganz wenigen Ausnahmen) nicht von selbst und auch nicht über Nacht.
Aber es gibt Hoffnung.
Dafür gibt es zu viele Geschichten von geheilten CFS-Helden und Heldinnen.
Diese Hoffnung will ich mir nicht nehmen lassen.
Und auch dir nicht nehmen.
In diesem Sinne wünsche ich dir genügend Hoffnung, die dir ein bisschen mehr Energie für den Tag gibt.
PS: Es würde mich (und die anderen Leser sicher auch) brennend interessieren, was du zu diesem Thema denkst, erlebst, fühlst. Ein Kommentar von dir würde uns deshalb sehr freuen.