HPU als mögliche Ursache bei chronischer Fatigue
Vielleicht hast du noch nie von HPU oder Hämopyrrollaktamurie, einer genetisch bedingten Stoffwechselstörung gehört. Und doch glaube ich, dass dieses Thema auch in deinem Fall eine der Ursachen für die chronische Fatigue sein könnte. Denn die Beschwerden bei HPU erinnern sehr stark an ME/CFS.
Übrigens – ob du nun HPU hast oder nicht: Die hier beschriebenen Therapie-Maßnahmen können fast 1:1 auch bei ME/CFS eine starke Verbesserung bringen.
Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung und Ergänzung zur Podcast-Episode 58 mit Sonja. Sonja ist Diplomingenieurin für molekulare Biotechnologie, Fachjournalistin und Gründerin von www.hpuandyou.de.
Sonjas Erfahrung mit HPU
Sonja hatte von Kindheit an immer einen bunten Strauß an Symptomen. Als Kind war ihr oft übel. In der Pubertät kamen Kreislaufbeschwerden, Panikattacken und Probleme mit der Schilddrüse hinzu. Oft war sie sehr schlapp, musste sich oft hinlegen, um durch den Tag zu kommen. Im Vergleich mit ihren Altersgenossinnen fühlte sie sich oft viel schneller gestresst.
Diese ganze Palette an Symptomen erlebt Sonja vom Grundschulalter bis zum 37. Lebensjahr. Dazwischen eine Odyssee an Arztbesuchen, immer auf der Suche nach Ursachen.
Sie macht alle möglichen Auslassdiäten. Vielleicht ist sie auf irgendetwas allergisch? Und wenn sie das herausfindet, wird es ihr besser gehen – hofft sie. Doch diese ersehnte Entdeckung bleibt aus.
Einmal lässt sie sich aus purer Verzweiflung ins Krankenhaus einweisen, um sich einmal gründlich untersuchen zu lassen. Da wird bestimmt etwas dabei herauskommen, denkt sie. Doch auf dem Entlassungsbogen steht nur „Somatoforme Störung“ – also irgendwie psychisch bedingt. Vielleicht sind ihre Beschwerden wirklich nur psychisch bedingt?!
Insgesamt macht sie drei Psychotherapien, darunter eine Konfrontationstherapie aufgrund ihrer Angststörung. Doch dadurch geht es ihr nur noch schlimmer. Heute weiß sie auch warum: Eine Konfrontationstherapie bedeutet Stress. Und Stress ist bei HPU besonders fatal, also genau das Gegenteil von hilfreich. Das weiß sie damals jedoch noch nicht.
In dieser Phase ihrer Geschichte arbeitet Sonja bereits als Fachjournalistin für ein Diagnostiklabor, das auch Darmtests anbot. Als es ihr mal wieder schlecht geht mit dem Darm, findet sie über das Labor einen Arzt, der mit ihr diesen Darmtest durchführen kann.
Interessanterweise meinte dieser Arzt: „Den Darmtest können wir machen, aber sie müssen mal einen HPU-Test machen.“
Obwohl Sonja als Medizinjournalistin schon viel recherchiert und selbst geschrieben hat, ist ihr HPU zu diesem Zeitpunkt gänzlich unbekannt. Beim Recherchieren über HPU liest sie zwar zunächst, dass HPU vom Robert Koch Institut nicht als Krankheit anerkannt wird. Trotzdem lässt sich Sonja auf den Test ein.
Tatsächlich: Er schlägt eindeutig aus.
Und so hilft der Arzt ihr ein Jahr lang darin, ihre HPU zu therapieren.
Nach einem Jahr sind bei Sonja bereits 60-70% aller Beschwerden verschwunden. Und das nach über 30 Jahren mit vielen Symptomen, Therapien und Ärzte-Hopping.
Heute begleitet Sonja selbst andere darin, ihre HPU zu therapieren und gut damit leben zu können.
Aber was ist denn HPU eigentlich? Und wie können wir es therapieren?
HPU einfach erklärt
Hämopyrrollaktamurie (HPU) ist eine Stoffwechselstörung in der Hämsynthese.
Das Molekül Häm ist u. a. am Hämoglobin beteiligt – das ist der Stoff, der den Sauerstoff durch unser Blut transportiert. Aber auch an anderen Stellen brauchen wir das Häm.
Häm besteht aus acht Molekülen, die eine Art Ring schließen. Wer unter HPU leidet, kann dieses Häm allerdings nicht richtig aufbauen. Es ist falsch zusammengebaut und damit neurotoxisch, das heißt, es schädigt unsere Nerven. Deshalb will der Körper dieses Häm wieder loswerden, und dafür muss es wasserlöslich gemacht werden.
Um dies zu erreichen, heftet der Körper Zink und aktives Vitamin B6 an das Häm, um dann über die Niere und den Urin in größeren Mengen ausgeschieden zu werden. (Bei Personen ohne diese Stoffwechselerkrankung wird Häm über die Leber ausgeschieden.)
Wie finde ich heraus, ob ich HPU habe?
Auf hpuandyou.de kannst du einen Fragebogen ausfüllen, um einen ersten Hinweis darauf zu bekommen, ob HPU bei dir persönlich ein Thema ist. Dieser Fragebogen wurde bereits über 8000 Mal ausgefüllt, und 80% aller Teilnehmenden haben eine schwere Erschöpfung angegeben. Tatsächlich ist diese schwere Erschöpfung das Hauptsymptom bei HPU – zusammen mit weiteren Beschwerden, die auftreten können. Dabei ist die Kombination bei jeder Person anders gelagert.
Ein weiterer Hinweis, ob HPU vorliegt, liefert die Menge an Zink und Vitamin B6 im Urin.
Dafür gibt es einfache Urintests, die du dir nach Hause schicken lassen kannst und sie dann mit deinem Morgenurin (bzw. auch Sammelurin) wieder zurück ans Labor schickst. Zwei mögliche Labore sind:
KEAC.nl (ca. 65 Euro)
Medivere (ca. 30 Euro)
Wichtig zu wissen: Das Testergebnis kann uns nur eine grobe Vorstellung geben, ob bei uns HPU vorliegt. Denn es kann sein, dass der Körper über die Jahre einfach nicht mehr genügend Zink und Vitamin B6 zur Verfügung hat, um sich an das Häm zu binden und dieses auszuscheiden.
In diesen Fällen finden sich auch im Urin entsprechend geringe Mengen dieser Stoffe, obwohl diese neurotoxischen Häm-Moleküle vielleicht trotzdem im Körper vorhanden sind. Deshalb sollte der Test immer auch im Zusammenhang mit den Symptomen betrachtet werden – passen die Symptome zu HPU, mag auch bei niedrigen Werten trotzdem eine HPU vorliegen.

Wünscht du dir eine
persönliche Beratung?
Wir als Fasynation geben keine Beratung, ABER Martin von der ME/CFS Selbsthilfe Köln bietet entgeltliche Lotsenberatung bei ME/CFS und Long Covid per Telefon oder Email an. Du kannst ihm z.B. alle deine Blutuntersuchungen zuschicken, um konkrete Ratschläge zu bekommen, was als nächstes zu tun ist. Du erreichst ihn per Email: lotsenberatung@fatiguefunk.de
Was hat HPU mit ME/CFS gemeinsam?
Die Liste an möglichen Symptomen bei HPU macht deutlich, dass es viele Überschneidungen mit ME/CFS gibt, wobei die schwere körperliche Erschöpfung das Hauptsymptom ist.
Zu den weiteren Symptomen zählen:
- Geringe Stresstoleranz
- Angst- und Panikattacken / Depressionen
- Infektanfälligkeit
- Reizdarm / Nahrungsmittelunverträglichkeiten
- Migräne
- Schilddrüsenstörungen (Hashimoto-Thyreoiditis)
- Muskel- und Gelenkschmerzen (Fibromyalgie)
- Autoimmunerkrankungen / Allergien
- Hautprobleme
- Zyklusstörungen / Polycystisches Ovarialsyndrom (PCOS)
Darüber hinaus ist HPU oft ein Mitverursacher oder Unterhalter von ME/CFS. Denn HPU tritt selten alleine auf, sondern ist häufig von Störungen der Schilddrüse (z. B. Hashimoto Thyreoiditis), der Mitochondrien (Mitochondriopathie), der Nebennieren (Nebennierenschwäche), des Darms (Leaky Gut) und der Darmflora (Dysbiose), einer instabilen Halswirbelsäule, von Histaminintoleranz u.v.m. begleitet.
Besteht ein Zusammenhang zwischen instabiler Halswirbelsäule und HPU?
Man geht üblicherweise davon aus, dass HPU vererbt wird. Dr. Kuklinski allerdings sieht es anders. In seinem Verständnis kann HPU auch durch eine instabile Halswirbelsäule verursacht werden. Zumindest kann man beobachten, dass HPU oft mit einer instabilen Halswirbelsäule einhergeht.
Der Grund könnte sein: Eine instabile Halswirbelsäule löst nitrosativen Stress aus. Dieser ist in der Regel noch belastender für den Stoffwechsel als oxidativer Stress. Es mögen auch noch weitere komplexe biochemische Zusammenhänge im Spiel sein.
Warum ist man sich wegen KPU und HPU so uneins?
Viele Mediziner oder Fachleute streiten sich über den Unterschied zwischen KPU (Kryptopyrrolurie) und HPU (Hämopyrrollaktamurie). Auf biochemischer Ebene werden zwar unterschiedliche Stoffe ausgeschieden, doch in Sonjas Augen ist es egal, ob man die Erkrankung KPU oder HPU nennt. Beide Stoffwechselstörungen haben dieselben Symptome, und in beiden Fällen helfen auch dieselben Maßnahmen. In den USA gibt es daher für beide Störungen nur eine Bezeichung: Pyrrolics.
Aus wissenschaftlicher Sicht mag es sich lohnen, diese beiden Störungen zu unterscheiden, doch aus therapeutischer Sicht ist dies nicht nötig.
Dein HPU Therapieplan
Was mache ich, wenn ich den Verdacht auf – oder die Diagnose HPU habe?
Die gute Nachricht ist: HPU lässt sich sehr gut therapieren. Die Aussicht auf Verbesserung ist enorm groß. Wie du am besten vorgehen kannst:
Schritt 1: Informiere dich
Bevor man irgendwelche therapeutischen Maßnahmen einleitet, sollte man grob verstehen, was in einem los ist. Nur so kann man eine fundierte Entscheidung treffen. Sonja hat 2019 ihre Website hpuandyou.de ins Leben gerufen, um über HPU aufzuklären.
Schritt 2: Suche dir Unterstützung
Es gibt vereinzelt Therapeuten und Ärzte, die sich mit HPU auskennen und dich in der Therapie begleiten können. Eine weitere Möglichkeit ist das Online-Startprogramm von Sonja, das sie auf ihrer Website anbietet. Darin erklärt sie Schritt für Schritt, wie man seine Gesundheit selbst in die Hand nehmen kann.
Schritt 3: Passe deine Ernährung an
Durch eine bestimmte Ernährungsweise allein können schon einige Symptome gelindert werden. Verzichte unbedingt auf Alkohol und Kaffee – Koffein laugt einfach zu sehr die Nebennierenrinde aus.
Je mehr jemand das Gefühl hat, ohne Koffein nicht mehr durch den Tag zu kommen, desto wichtiger ist es, darauf zu verzichten. Am Anfang mag das sehr schwer sein, doch wurde von Sonjas Kursteilnehmenden noch nicht zurückgespiegelt, dass ihnen das nicht gut getan hätte.
Fertiggerichte sollten ebenso gemieden werden wie alles, was Gluten, Industriezucker oder Milch enthält. Stattdessen zu 80% unverpacktes Obst und Gemüse essen.
Wichtig ist, dies alles gleichzeitig zu tun, damit der Effekt sich multipliziert. Es scheint sich also zu lohnen, die Ernährung umzustellen.
Schritt 4: Fördere deine Entgiftung
HPU ist im Grunde eine Entgiftungsstörung. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass wir gar nicht erst zu viele Giftstoffe aufnehmen.
Das bedeutet z. B. bestimmte Fischarten (Thunfisch, Lachs, Meeresfrüchte) und auch andere potenziell toxische Lebensmittel (Reis enthält Arsen) zu meiden. Biologisch und regional lautet hier die Devise. Aber auch chemische Kosmetika wie Lippenstifte, aber auch Putz- und Waschmittel und andere Stoffe können zu giftig sein; deshalb auch hier auf gute Mittel achten.
Sollte man die Entgiftung aktiv durch Entgiftungsprotokolle beschleunigen?
Sonja ist da persönlich eher skeptisch. Sie empfiehlt einen sehr sanften Start in die HPU-Therapie. Zu viele Menschen haben ihr berichtet, dass ihre Entgiftung (z.B. mit Selleriesaft oder Chlorella-Algen) nach hinten losgegangen ist, weil der Körper diesen Prozess einfach nicht gut wegstecken kann.
Sonja rät aufgrund ihrer Erfahrung eher davon ab, mit Selleriesaft oder Chlorella-Algen zu entgiften. Bei der Chlorella-Alge beispielsweise müssen wir enorme Mengen einnehmen, damit der Körper die gebundenen Gifte auch wirklich ausscheidet. Doch wenn man 60 bis 70 der Chlorella-Tabs zu sich nimmt, spielt wiederum der Magen oft verrückt.
Viel wichtiger ist es ihrer Meinung nach, erst einmal den eigenen HPU-Stoffwechsel richtig aufzustellen und zu therapieren. Denn dadurch wird die körpereigene Entgiftungskapazität gefördert und nach ein, zwei Jahren mag es vielleicht gar nicht mehr nötig sein, noch extra zu entgiften.
Schritt 5: Reduziere deinen Stress
Stressvermeidung auf allen Ebenen ist eine weitere Maßnahme, die sich positiv auf den Stoffwechsel auswirkt. Jedes Stress-Ereignis befeuert den Bau dieses falschen neurotoxischen Häm. Stress ist also auch in diesem Fall hochtoxisch.
Eine gesunde Selbstfürsorge ist deshalb Voraussetzung für die Heilung.
Sowohl „HPUler“ als auch Menschen mit ME/CFS sind nicht so stressresistent wie gesunde Personen. Dasselbe Ereignis kann für dich extrem stressig sein, während andere es locker wegstecken.
Vergleichen wäre hier besonders destruktiv. Der einzige Maßstab für uns ist: Stresst mich persönlich eine bestimmte Situation, eine Beziehung, ein Ereignis oder gibt es mir Energie?
Schritt 6: Nimm Nahrungsergänzungsmittel
Beginne vorsichtig damit, die wichtigen Stoffe aufzufüllen, die der Körper in großen Mengen ausscheidet: Zink, Vitamin B6 und Mangan.
Allerdings ist es nicht so, dass alle HPUler auch zwingend einen Mangel dieser Stoffe aufweisen. Unser Stoffwechsel besteht ja aus zahlreichen hochkomplexen Zusammenhängen.
Der erste Schritt auf der therapeutischen Ebene ist für Sonja, in einer Vollblut-Mineralstoffanalyse zumindest die folgenden Stoffe mal messen zu lassen:
- Zink
- Magnesium
- Mangan
- Selen
- Ferritin
- Vitamin D
- Q10
- Homocystein
- Schilddrüsenwerte TSH, fT3 und fT4
Die Vollblutanalyse lässt sich über den Hausarzt bewerkstelligen oder alternativ direkt über ein Labor,
z. B. bei IMD oder bei Kirkamm
Achtung: Beim Vitamin B6 haben wir eine besondere Situation. Denn misst man den Vitamin-B6-Spiegel im Vollblut, kann dieser bei HPU unter Umständen hoch sein, das aktive B6 kommt aber nicht in der Zelle an. Hier bietet sich ein Urintest an, in dem das Cystathionin zuhause gemessen wird. Hast du einen hohen Cystathionin-Wert, kannst du von einem niedrigen Vitamin-B6-Spiegel ausgehen – und umgekehrt. Den Test kannst du z. B. bei esantera bestellen.
Wie lange dauert eine HPU Behandlung?
Eine chronische Erkrankung verlangt meist auch nach einer „chronischen“ (also langen) Therapie.
Auch bei HPU gilt, dass wir uns mindestens eineinhalb Jahre Zeit nehmen sollten. Bei den meisten werden die ersten Verbesserungen erst nach sechs Monaten oder später spürbar. Der Körper braucht einfach Zeit, um sich zu regenerieren und den Stoffwechsel anzupassen.
Anstatt also, sinnbildlich gesprochen, von einem Therapiepferd aufs nächste zu springen und ständig die Hoffnung in neue Therapien zu setzen, ist es viel ratsamer, an einer Sache länger dranzubleiben und Geduld zu haben.
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Ich wünsche dir, dass du einige ihrer Impulse umsetzen kannst.
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