Mein Erfahrungsbericht mit CFS
Es war eigentlich nur eine normale Grippe.
Aber sie wollte nicht weggehen.
Mehrere Antibiotika-Kuren später lag ich im Sommer 2010 immer noch erschöpft da und merkte, dass mittlerweile auch meine Stimme ihre Arbeit verweigerte.
Beim HNO-Arzt dann der Schock: Stimmbandlähmung.
Ob die Lähmung je wieder weggehen würde, konnte der Arzt nicht garantieren. Erstmal sollte ich im nächsten halben Jahr nicht sprechen, außer bei den Übungen beim Logopäden. Zum Glück konnte ich das Sprechen wieder lernen, aber das rechte Stimmband ist auch heute, 11 Jahre später, weiterhin gelähmt. Viele Untersuchungen im Krankenhaus konnten das Rätsel nicht lösen, was die Lähmung ausgelöst hatte.
Kräftemäßig ging es mir langsam etwas besser und ich konnte wieder arbeiten. Allerdings brauchte ich seitdem deutlich mehr Schlaf und ich fühlte mich oft müde und schlapp. Auch war ich oft anfällig für Erkältungen, Prostataentzündungen und Allergien.
Es war ein ständiger Kampf.
Dass dies alles mit einer CFS Krankheit zutun hat, daran dachte damals noch niemand.
Der nächste CFS Rückfall
2012 wurde es dann wieder schlimmer. Ich hatte gefühlt ständig grippeartige Symptome, war beim Hausarzt ein oft gesehener Patient. Und ich wurde immer frustrierter. Beim Heilpraktiker machte ich einen Lebensmittel-Unverträglichkeitstest und stellte daraufhin die Ernährung um.
Das half etwas, aber trotzdem kämpfte ich immer noch mit vielen Symptomen. Privat finanzierten wir deshalb eine Reha, um mich ausgiebiger behandeln und beraten zu lassen. Allerdings wurde ich dort wieder so krank, dass ich nur noch im Bett liegen konnte – für viel Geld pro Tag.
Also beendete ich die Reha frühzeitig und fuhr nach Hause. Nur um dort von einem weiteren Arzt die Anschuldigung zu hören, ich würde mir alles nur einbilden.
Aber dem war nicht so!
Trotzdem dachte immer noch niemand daran, dass diese Krankheit irgendetwas mit CFS zu tun haben könnte.
Warum die CFS Symptome besser wurden
Also beschäftigte ich mich intensiver autodidaktisch mit Gesundheitsthemen. Immer auf der Suche nach brauchbaren Tipps, um gesünder zu leben.
Meine Ernährungsweise wurde immer gesünder, ich achtete auf genügend Ruhe und Erholung, lernte neue Atemtechniken und vieles mehr. Hinzu kam, dass wir nach Düsseldorf umzogen, was für uns als multikulturelle Familie eine große Entlastung war. In dieser großen asiatischen Community fühlten wir uns wohler. Auch das schien zu helfen.
Und so war ich von 2013 -2018 zwar immer noch öfters krank, anfällig und auch irgendwie noch chronisch erschöpft. Immer noch brauchte ich viel Schlaf und kam schnell an meine Grenzen. Aber ich war nicht mehr so am Boden (wörtlich und sprichwörtlich).
Dass dies nur die Ruhe vor dem eigentlichen CFS Sturm war, wusste ich damals nicht!
Als CFS mich 11 Monate lahmlegte
2018 kamen dann Stressfaktoren auf der Arbeit hinzu, die mir viel Energie abforderten. Und so zwang mich ich Ende 2018 wieder eine starke Grippe ins Bett.
Und wieder wollte sie nicht verschwinden.
Nach einigen Monaten Krankschreibung war ich zum wiederholten Mal bei der Hausärztin, die langsam auch nicht mehr weiter wusste. Aus Frust kamen mir die Tränen, und sofort hatte die Ärztin den anscheinend richtigen Einfall:
„Sie leiden an einer Depression“.
Mit dieser Diagnose war ich 2019 insgesamt 11 Monate krank geschrieben, bis es mir körperlich so gut ging, dass ich Ende 2019 wieder arbeiten konnte.
Dass ich in diesen 11 Monaten auch psychisch kämpfte, stand außer Frage. Auch die Psychotherapeutin war mir eine Hilfe. Und doch war es immer klar, dass meine Symptome und Herausforderungen hauptsächlich körperlicher Natur waren.
Mein Körper wollte einfach nicht so, wie ich wollte. Ich hatte einfach nicht die Kraft, die ich mir wünschte. Und die ich bei meiner Ernährungsweise und meinem Lebensstil eigentlich haben sollt. Keiner wusste, woran es lag oder was ich dagegen tun konnte.
Die Ruhe vor dem schlimmsten Sturm
Das Jahr 2020 war dann sehr anstrengend für mich. Ich war hochmotiviert, wollte arbeiten und neue Dinge anstoßen. Aber ich hatte wenig Kraft zur Verfügung, im Schnitt lag mein Energielevel gefühlt bei 65%.
Deshalb sorgte ich dafür, dass ich meine Grenzen noch enger zog und viele Stressauslöser vermied. Zugegeben – der Zucker verführte mich immer wieder mal und trieb mich in ungezogene Ess-Affären.
Ansonsten ernährte ich mich weiterhin sehr gesund, zog meine eigenen Keimlinge, trank meine grünen Smoothies, war mittlerweile vegan und gönnte mir genügend Pausen.
Der CFS Sturm bricht los
Deshalb war der Frust umso größer, als ich im September 2020 wieder krank wurde. Und wieder musste ich viele Termine absagen und das Bett hüten.
Und wieder wollte die Grippe nicht verschwinden. (Das Wort „wieder“ erscheint in diesem Text ziemlich oft. Es scheint genau passend für diese frustrierende Krankheit zu sein.)
Wieder ein Rückfall.
Wieder eine Enttäuschung.
Wieder so wenig Kraft.
Wieder so viele Symptome.
Wieder diese Schmerzen.
Seit Monaten aß ich nur noch im Bett, stand nur für die Toilette auf. Ich fühlte mich, als hätte ich eine starke Grippe und gleichzeitig einen Marathon gelaufen. Muskeln und Glieder taten mir weh. Ich konnte nicht schlafen oder träumte einen Haufen Unsinn. Und wachte jeden Morgen völlig erschöpft auf.
Kopfschmerzen plagten mich, die Lymphknoten waren angeschwollen, Schmerzen in der Brust, heiß-kalte Füße. Immer, wenn ich mich doch etwas aufrappelte und trotz all der Symptome etwas im Haus tat oder gar – auf Anraten der Hausärztin – einen vorsichtigen langsamen Gang durch den kleinen Park machte, war ich anschließend unverhältnismäßig stark erschöpft und brauchte oft Tage, um mich davon zu erholen.
Da die Hausärztin überfordert schien, schleppte ich mich zusätzlich zum Heilpraktiker. Und siehe da, für ihn stand nach einer zweistündigen Untersuchung fest, was mit mir los war: Chronisches Fatigue Syndrom. CFS.
Mein Blut war völlig verdickt, ich hatte viele chronische Entzündungen im Körper, mein Blut war extrem übersäuert. Das waren nur einige Symptome und Auswirkungen der eigentlichen Erkrankung: CFS!
Als ich wieder zuhause im Bett lag, fing ich an zu recherchieren. Alles machte plötzlich Sinn. Auch die Hausärztin sah den Zusammenhang und bestätigte die Diagnose ME/CFS mit der offiziellen Kennung G93.3.
Auf der einen Seite war ich erleichtert, endlich eine Diagnose zu haben. Ich war kein Hypochonder! Endlich wusste ich, wo ich ansetzen konnte.
Andererseits stürzte mich die Diagnose in ein tiefes Loch. Denn die ersten Recherchen über die CFS Krankheit versprachen wenig Hoffnung. Eine Krankheit, die noch wenig erforscht ist und bis jetzt in den meisten Fällen als unheilbar gilt.
- Den Rest meines Lebens fast nur im Liegen und zuhause verbringen?
- Oft in einem abgedunkelten Raum, weil das Licht schon zu anstrengend ist.
- Zu schwach zum Lesen oder Reden, gleichzeitig verrückt vor Langeweile.
- Ausgeschlossen von der Außenwelt, vergessen und verlassen.
- All meine Ziele, Träume, Vorhaben aufgeben und lebendig tot dahin vegetieren?
Meine persönliche Hölle mit CFS
Die nächsten Monate wurden für mich zu einer mentalen Hölle. Mein Leben war vorbei. Es war, als hätte man mich in einen Sarg gelegt und für tot erklärt.
Es war hoffnungslos und zutiefst demütigend!
In der Ferne hörte ich (metaphorisch gesprochen) meine Freunde lachen und das Leben leben. Während ich hier im Sarg lag, lebendig tot, von den meisten vergessen.
Oft überwältigten mich starke Heulkrämpfe. Manchmal einfach nur wegen der enormen Erschöpfung, z.B. wenn ich mich gewaschen hatte. Oft aber auch aus schierer Hoffnungslosigkeit.
Manchmal schrie ich meinen Schmerz heraus. Einmal sprach unsere Nachbarin meine Frau an, weil sie mich nachts wohl so stark weinen gehört hatte. Auch werde ich die Bilder wohl nie vergessen, wenn eine meiner Töchter still meine Hand hielt, während ich bitterlich weinte.
Für einige Wochen verfluchte ich fast täglich den Tag meiner Geburt. Es schien einfach zu viel zu sein. Seit vielen Jahren kämpfe ich, tue anscheinend mein Bestes, und doch wird mir jedes Mal noch gemeiner ein Bein gestellt und ich liege verwundet am Boden.
Ich konnte nicht mehr.
Ich nahm Abschied von meinem alten Leben.
Und es schmerzte sehr.
Im früheren Leben war ich ein recht fröhlicher, dankbarer Mensch. Ich empfand meist trotz der Umstände einen tiefen Frieden, schaute auf die positiven Dinge des Lebens.
Aber dieses Mal war es anders!
Ein Blick in meine Innenwelt
Alle Fröhlichkeit und Frieden waren verschwunden. So sehr ich sie auch suchte und nach ihnen schrie, sie waren verschwunden. Die Nächte waren am schlimmsten.
Viele Wochen lag ich die ganze Nacht wach und wurde erst gegen 6:00 Uhr vom Schlaf übermannt. Nur, um dann von Alpträumen geplagt zu werden. (Ein Immunologe erklärte mir später, dass meine hohen Entzündungswerte den Körper gar nicht zur Ruhe bringen können und es kein Wunder ist, dass ich keinen richtigen Schlaf finde.)
In dieser Zeit wusste ich nicht, wie ich meinen Frust-Schmerz loswerden konnte. Manchmal schrie ich ihn wortwörtlich heraus. Aber ich konnte nicht die ganze Zeit schreien. Also schrieb ich meine Gedanken auf. In der Blog-Kategorie „Galerie“ findest du einige Poetry-Texte, die ich meist nachts geschrieben habe.
Warum ich mir nicht das Leben nahm
Dieser ganze CFS Schmerz war so groß dass ich mich eines Nachts ins Auto schleppte. Ich fuhr durch die Gegend und spielte mit dem Gedanken, mir mit dem Auto das Leben zu nehmen. Einfach irgendwo gegen fahren und das Trauma ist vorbei.
Es wäre so einfach.
Endlich keine Demütigung mehr.
Endlich keine Schmerzen mehr.
Endlich keine Alpträume mehr.
Gott sei Dank war ich zu feige. Auch wollte ich meiner Familie – die mich so liebevoll pflegte – diesen Schmerz nicht antun. Die Worte meiner Frau hallen immer noch nach: “Bitte verlass uns nicht!”
Aber in solch einem elenden Zustand die nächsten Jahre verbringen, das wollte und konnte ich mir auch nicht vorstellen.
Also blieb mir nur noch eine Lösung.
Die CFS Krankheit sollte mich nicht besiegen
Ich entschied mich, nochmal neu zu kämpfen. Mich noch mal innerlich aufzurappeln und weiter nach Wegen zu suchen, wie ich doch wieder ein lebenswertes Leben führen kann.
Als erstes brauchte ich Motivation und Willenskraft. Also fing ich an, mir ermutigende Geschichten von CFS-Geheilten anzuschauen oder zu lesen. Hoffnungslose Gedanken versuchte ich gar nicht erst richtig aufkommen zu lassen. Auch wenn mir das anfangs nicht oft gelang.
Die nächsten sieben Tage hörte ich erst mal auf zu essen, um meinem Körper die Energie für das Verdauen zu sparen. Das schien mir ganz gut zu tun, auch wenn ich später erfuhr, dass dies für CFS Betroffene nicht empfehlenswert ist.
Nach den sieben Tagen fing ich wieder mit Gemüse und Obst an. Auf fast alles andere verzichtete ich erst einmal. Aber ich wollte nicht nur auf gut Glück meine eigene Ernährungsstrategie verfolgen. Also las ich täglich über ME/CFS, Ernährung und Ayurvedische & Chinesische Medizin. So langsam bekam ich ein besseres Bild, welche Stellschrauben bei mir verstellt sind und was ich tun kann.
Unser Körper ist ja ein hoch komplexer multi-systemischer Organismus. Nervensystem, Immunsystem, Verdauungssystem, Energiesystem – alles ist miteinander verbunden. ME/CFS wird als eine neuro-immunologische multi-systemische Erkrankung erklärt. Das heißt, dass fast alle Systeme im Körper betroffen sind und es somit viele „Stellschrauben“ gibt, die verstellt sind und an denen gedreht werden muss. Alle Organe und Systeme beeinflussen einander und müssen in ein gesundes Ganzes gebracht werden. Bis die Schrauben aber wieder alle richtig eingestellt sind, braucht es Vorsicht, Ausprobieren, Zeit, Geduld, Wissensaneignung und ein ständiges Dranbleiben.
Und so startete ich meine eigene Therapie.
Langsam, immer entsprechend der Kraft und Motivation, die mir zur Verfügung stand.
Wie ich gegen CFS ankämpfe
Bei verschiedenen Ärzten ließ ich mich auf bestimmte Blutwerte und Symptome untersuchen. Immunologe, Rheumatologe, Allergologe, Hausarzt, TCM-Mediziner.
Ich passte weiter meine Nahrungsergänzungsmittel an, stellte meine eigenen Rezepte zusammen, stieg auf ketogene Ernährung um. Was ich sonst noch alles tue, um meine Selbstheilungskräfte zu aktivieren, findest du in diesem Artikel über meine persönliche CFS Therapie.
Und so bin ich nun auf dem Weg. Noch schwankt mein Energielevel gefühlt zwischen 9 und 15%. Noch verbringe ich den meisten Tag im Liegen. Noch bin ich extremst erschöpft und fühle keine großen körperlichen Veränderungen. Aber zumindest schreit mein Geist nicht mehr so stark und die Zuversicht streichelt mich wieder hier und da.
Einer der Gründe für meine Zuversicht ist, dass ich einen hervorragenden Berater gefunden habe, der hier in einer örtlichen ME/CFS Selbsthilfe-Gruppe aktiv ist (Danke, Martin). Er pflanzte durch seine Erfahrung und Know-How schon den einen oder anderen Hoffnungssamen in mein Herz. Diese geben mir Mut, nicht aufzugeben und daran zu glauben, dass es irgendwann signifikanter besser geht.
Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende. Das ermutigt.
Und auch deine Geschichte ist noch nicht zu Ende.
Lass uns nicht aufgeben!