Anklage
Sie wurde hinterhältig betrogen.
Ihr bester Freund und Geschäftspartner stahl ihr gesamtes Vermögen.
Es folgte eine Anzeige. Dann die Gerichtsverhandlung.
Aber der gute Freund erschien einfach nicht.
Beim zweiten festgelegten Termin erschien er wieder nicht.
Und so schloss das Gericht den Fall und beließ es dabei.
Eine schreiende Ungerechtigkeit.
So ähnlich fühle ich mich.
Vom Bett aus klage ich an.
Will Gerechtigkeit.
Will gehört werden.
Will Wiedergutmachung.
Stattdessen nur Stille.
Und so kann ich meinen Schmerz nur heraus schreien:
Warum hast du mich verlassen?
So viele Jahre und Mühe habe ich an dich verschenkt,
habe meine Aufmerksamkeit immer wieder auf dich gelenkt,
in dich investiert und mein Leben extra wegen dir eingeschränkt.
Aber du hast mich behandelt als würdest du mich nicht kennen,
Hast mich gnadenlos sitzen lassen, und war ich noch so sehr am Flennen.
Als wolltest du bewusst jedes Vertrauens-Band zu dir durchtrennen.
Und trotzdem habe ich mich immer wieder für dich eingesetzt,
habe jeden Zweifel an deine Untreue aus meinem Herzen geätzt,
und jedes Schweigen deinerseits in schöne Worte für mich übersetzt.
Doch du hast nicht aufgehört mich zu schlagen und zu plagen,
hast jeden Annäherungsversuch meinerseits in die Flucht geschlagen,
stattdessen fingst du sogar an, mich mit Hohn und Demütigung zu jagen.
Und jedes Mal wenn andere so dankbar sind, dich in ihrem Leben zu haben,
ist das ein schmerzhafter Tritt in meinen sowieso schon schwachen Magen,
und meine Wut und die Lust steigt, dich öffentlich anzuklagen.
Ich will es jetzt deutlich sagen: Gesundheit – warum hast du mich verlassen?
Alle sagen „Hauptsache Gesund“, doch ich muss da leider passen,
denn diese Hauptsache hast du mir nicht gelassen, ich kann’s noch immer nicht fassen.
Andere haben dich viel mehr vernachlässigt und dich Links liegen gelassen,
doch du bist ihnen hinterher gerannt, um trotzdem noch auf sie aufzupassen.
Und mich? Mich hast du dabei einfach so – warum auch immer – zurückgelassen.
Du hast mir meine Zuversicht und Hoffnung geklaut,
hast meine Lebenspläne und Träume versaut,
und mir höhnisch Elend und Leid anvertraut.
Du hast dafür gesorgt, dass Ärzte mich missverstehen,
dass manche in mir sogar nur einen Psychosomatiker sehen,
meine CFS Symptome in eine Depression verdrehen,
oder mir und meinem Leid aus dem Wege gehen.
Du hast mir Demütigung und Angst an die Seite gestellt,
hast meine Bemühungen ohne Rücksicht verprellt,
und alles getan, damit mein Glaube an Gerechtigkeit zerfällt.
Wegen dir muss ich viele schlaflose Nächte verbringen,
muss täglich mit dieser schweren Erschöpfung ringen,
während die Schmerzen meinen Körper durchdringen.
Wegen dir haben mich tausend Quälgeister heimgesucht.
Wegen dir wurde mein emotionales Konto komplett leergebucht.
Wegen dir habe ich wochenlang den Tag meiner Geburt verflucht.
Mit diesem Paket an Ungerechtigkeit muss ich jetzt leben,
muss mich mit dem Los für mein Leben zufriedengeben,
im Nirgendwo der Fragen und Ungewissheit schweben
und gleichzeitig aus diesen Fragen mein neues Weltbild weben.
ABER
Ich werde dir nicht die Freude machen jetzt aufzugeben,
nein, ich werde weiter an der Hoffnung auf Besserung kleben,
werde darauf Acht geben, danach zu streben,
mich aus dem Leid und der Mutlosigkeit heraus zu begeben.
Egal ob mit dir oder ohne dich – ich werde nicht nur überleben
sondern mit trotziger Willenskraft alles geben
um meine Wut irgendwann nach dem Ausleben ganz abzugeben
und sogar danach streben, dir vielleicht zu vergeben.
Bis dahin werde ich mir aber zugestehen, mein Leid zu betrauern.
Meine Seele braucht es, den Schmerz laut und deutlich zu bedauern,
anstatt mich still und verbittert in meinem Elend zuzumauern
und irgendwann als unversöhnter Pflegefall zu versauern.
Nein, die Bitterkeit darf mich nicht aufzehren,
darf meinen Lebensmut nicht ganz entleeren.
Aber es bringt auch nichts, die Wut unter den Teppich zu kehren,
sich um die innere Not angeblich nicht zu scheren,
sie unverarbeitet einfach abzuwehren
oder gar solche Gefühle streng zu belehren.
Nein, das würde die Gesundung nur noch erschweren,
und die Last am Ende erheblich beschweren.
Deshalb werde ich mir dieses Klagen erlauben,
egal was andere darüber sagen oder glauben.
Da können sie noch so wüten und schnauben,
das Recht auf Klagen lass ich mir nicht rauben.
Gleichzeitig will ich die andere Seite nicht verhehlen:
Die Krankheit kann meinem Geist nichts wirklich befehlen,
mir zwar Energie aber nicht meine Einstellung stehlen.
Auch wenn ich dich nicht mehr an meiner Seite habe,
so liegt es immer noch an mir was ich entscheide und plane.
Und ich entscheide mich dafür, mich nicht von dir abhängig zu machen,
sondern dieser chronischen Krankheit mit Trotz ins Gesicht zu lachen,
und mich nicht besiegen zu lassen von diesem bösartigen Drachen.
Stattdessen werde ich mich von förderlichen Gedanken ernähren,
werde der Mutlosigkeit ihre Arbeit erschweren,
werde die Hoffnungsdiebe vehement abwehren,
die guten Momente bewusst vermehren,
das Klagen irgendwann ins Singen umkehren,
und mich in dieser Prüfung als Kämpfer bewähren.
Ob ich irgendwann verstehe, warum du mich so oft verlassen hast?
Ob ich irgendwann erkenne, wie alles Leid im Leben zusammen passt?
Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht!
Doch eines will ich sagen mit diesem Gedicht:
Das Leben ist viel unfairer und verwirrender als dass wir alles verstehen,
So sehr ich es auch wünschte, aber mit Schmerzen muss ich gestehen:
Viele Wünsche, Träume und Gebete werden unerhört im Nichts verwehen,
während stattdessen unerwartet schmerzhafte Wendungen geschehen.
Was mit mir geschieht, dagegen kann ich oft nichts machen,
aber ob dies mich besiegt oder langfristig stärkt – darüber kann ich wachen.
Deshalb will ich in dem ganzen Elend einen Bund mit meinem Herzen schließen,
und auf jede Not und jeden Schmerz immer auch ein paar Hoffnungstropfen gießen.
Ob ich dich also zurückgewinne oder für immer verliere,
Ich werde trotzdem weiterkämpfen anstatt dass ich resigniere.
Werde kein Opfer sein in dieser sadistischen Satire,
werde darauf achten, dass ich nicht einfach nur vegetiere,
sondern als Regisseur in diesem Film mit agiere,
das Skript und die Dialoge im Kopf selbst editiere,
und meinen Blick auf die Zuversicht fixiere.
Ich entscheide mich dagegen,
meinen Lebensmut einzufrieren,
mit meinen Emotionen zu jonglieren,
mich mit aufgesetzter Dankbarkeit zu maskieren,
und mit falscher Ehrlichkeit zu operieren.
Stattdessen will ich für gesunde Offenheit plädieren,
andere Gedankenwege ausprobieren,
mein inneres Weltbild sanieren,
dafür sogar Unverständnis riskieren
aber zumindest in diesem Leid nicht zu stagnieren.
Deshalb entscheide ich mich dafür,
mit den besten Gedankenmustern zu hantieren,
jeden eingehenden Impuls zu verifizieren,
aus der Langzeitperspektive zu reflektieren,
meine Zellen schrittweise vitalisieren,
und langsam wieder zu regenerieren.
Ich entscheide mich,
meine inneren Quälgeister zu halbieren,
die Angstdämonen in mir zu kastrieren,
manche Stressoren bewusst zu blockieren,
oder sie zumindest klug angepasst zu dosieren,
neue Gedankenmuster studieren,
mögliche Heilungswege recherchieren,
meine innere Einstellung frisch justieren,
meine Klagemauer mit Hoffnung verzieren,
die Lebensqualität trotz allem optimieren,
ein stimmiges Lebenskonzept skizzieren,
über das Gute im Ganzen sinnieren,
meine Rolle in diesem Schauspiel neu positionieren,
als ein, wenn auch kranker, Lebenskünstler fungieren,
um mich letztendlich als Gewinner in dieser Krankheit zu identifizieren.
Und vielleicht sogar noch andere Betroffene mit dieser Hoffnung infizieren,
und sie für ein Trotz-iges chronisch gutes Leben inspirieren.
Epilog
In meinen dunkelsten Stunden habe ich oft nicht gewusst, wohin mit meinem Schmerz. Ich habe geweint, geschrien, gejammert.
Und dann habe ich das Texten entdeckt.
Es war für mich wie ein Ventil, um meine Gefühle und Gedanken zu formulieren und dadurch etwas Luft abzulassen.
Und mich selbst zu therapieren.
Aber nicht nur ich habe einen künstlerischen Weg gefunden, den Schmerz auszudrücken. Andere schreiben ebenfalls. Oder malen. Formulieren ein Lied.
Deshalb möchte ich dich einladen, ebenfalls deinen Weg zu finden. Und gerne auch auf dieser Plattform zu veröffentlichen.
Bist du dabei?