Pacing bei ME/CFS – alles Wichtige zusammengefasst
Pacing ist bei ME/CFS und auch bei Long-Covid eine der wichtigsten Therapien. Pacing sorgt dafür, dass wir beim chronischen Erschöpfungssyndrom weder über unsere meist sehr geringe Belastungsgrenze gehen noch dass wir gleichzeitig zu wenig körperlich aktiv sind. Ziel ist es, dass wir die typischen Crashs vermeiden und langsame Besserung erzielen.
Dafür findest du hier alles wichtige zusammengefasst, um dich mit dem Thema Pacing ausführlich zu beschäftigen.
Warum Pacing bei CFS so wichtig ist
Der englische Begriff Pacing bedeutet so etwas wie: das Tempo angeben oder anpassen. Aber warum ist das wichtig?
Eines der gemeinen Merkmale beim chronischen Fatigue Syndrom ist unsere Belastungsgrenze. Uns Betroffenen steht wesentlich weniger Energie zur Verfügung als gesunden Menschen.
Noch gemeiner: Diese Energie ist schneller aufgebraucht als im gesunden Zustand. Ein Doppel-Problem.
An der Charité in Berlin (Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen) hat man z.B. eine doppelte Handkraftmessung entwickelt. Bei Menschen mit ME/CFS nimmt die Handkraft – im Gegensatz zu gesunden Menschen – nach einer Stunde deutlich stärker ab und die Erschöpfbarkeit steigt dagegen deutlich an.
Der Fachbegriff für diese Belastungsintoleranz heißt Post-Exertional Malaise (PEM). PEM bezeichnet die typische Verschlechterung der Beschwerden nach körperlicher und geistiger/kognitiver Aktivität. Viele Mediziner und Forscher sehen dieses Phänomen als das Leitsymptom bei ME/CFS an.
Die Gefahr besteht also, dass wir in unserem erschöpften Zustand über unsere Belastungsgrenze gehen und dadurch einen weiteren Crash, einen Rückfall erleiden. Manche müssen sich von einer 10-minütigen Dusche erstmal 10 Stunden erholen. Oder ein Spaziergang kann die Symptome stark verschlimmern und uns zu weiteren Wochen Bettruhe zwingen.
Bei allen Erkrankten ist diese Belastungsgrenze unterschiedlich stark ausgeprägt bzw eingeschränkt. Deshalb bedeutet Pacing, dass wir unsere Aktivitäten und die nötige Erholung in eine persönlich auf uns abgestimmte Balance bringen.
Aktivität kann dabei sowohl die mentale als auch körperliche Belastung sein. Bei manchen sind konzentriertes Denken schon nach einigen Minuten zu anstrengend.
Andere können sich zwar besser konzentrieren, spüren aber schon nach einer geringen körperlichen Anstrengung, wie die Schmerzen und die Fatigue zunimmt.
Darüberhinaus gibt es hunderte von Kombinationen. Nicht nur jede Erkrankte hat eine andere Kombination an Symptomen und Belastungsgrenzen. Sondern diese Kombination kann sich auch innerhalb einer Erkrankung immer wieder ändern.
Stellen wir uns ein Mischpult mit verschiedenen Schiebereglern vor. Nur, dass dieses Mischpult nicht von uns bewusst eingestellt werden kann, sondern den Zustand unseres Körpers anzeigt.
Jeder Regler zeigt an, wo sich die Belastungsgrenze gerade befindet bezüglich Bewegung, Muskelanspannung, Lichtstress, Nachdenken, Musik, Konzentrieren, usw.
Also sowohl mental als auch körperlich.
Und weil sich diese Schieberegler immer wieder bewegen, braucht es auch eine flexible und individuelle Art, darauf zu reagieren.
Was Pacing nicht ist und warum manche Physiotherapien gefährlich sein können
Pacing ist also nichts statisches. Kein Trainingsplan, an den wir uns gehorsam und in jedem Fall halten, nachdem wir ihn aufgestellt haben.
Denn genau das ist ein großer Unterschied zwischen CFS Erkrankten und einem gesunden Menschen. Im gesunden Zustand können wir einen tollen Tages- oder Wochenplan aufstellen und uns daran halten. Egal, wie wir uns gerade fühlen und wie es uns geht. Wir sind schließlich diszipliniert.
Gesunde können in Stresszeiten also auch mal über ihre Grenzen gehen, weil sie ja kurze Zeit später wieder eine Pause eingeplant haben. Dann können sie auch mal eine Woche hart durcharbeiten, am Wochenende noch beim Umzug helfen und trotz Müdigkeit noch den abendlichen Sport machen. Denn eine Woche Später steht ja der Urlaub an, dann können sie sich wieder erholen.
Nun, auch im gesunden Zustand sollten wir nur in Ausnahmefällen weit über unsere Belastungsgrenzen gehen.
Aber bei CFS sollte es solche Ausnahmen nicht geben. Ja, darf es nicht!!
Weil es eben zu schnell zur Verschlimmerung kommen kann. Und dabei reden wir nicht von Umzügen oder Steuererklärungen. Schon ein kleiner Spaziergang kann dann zu viel sein.
So sind eben auch manche Physiotherapien wie z.B. das Graded Exercising oder andere Rehabilitations-Maßnahmen gefährlich. Ohne auf die genaue aktuelle Belastungsgrenze zu achten, wird bei solchen Therapien oft schön nach Plan die Aktivität gesteigert.
Kein Wunder, dass es deshalb vielen Betroffene nach einer Reha schlechter geht als vorher. Die Belastungsgrenze wurde gnadenlos überschritten.
Deshalb ist Pacing immer ein persönlich abgestimmtes Energie-Management:
- Ein sehr vorsichtiger und sanfter Umgang mit sich selbst.
- Ein Hinhören, wie es dem Körper geht und wie viel Energie gerade zur Verfügung steht.
- Ein fürsorgliches Achtgeben, dass wir uns nicht zu viel zumuten. Nicht der Therapieplan bestimmt meine Aktivität, sondern mein eigenes Ergehen.
- Die bewusste Entscheidung, die eigene Gesundheit zur hohen Priorität zu machen und das Management der eigenen Energieressourcen in die eigenen Hände zu nehmen
Wozu hilft mir Pacing, wenn ich ME CFS oder Long-Covid habe?
Übrigens wird Pacing auch im Coaching verwendet, also ab vom gesundheitlichen Thema. Dort geht es darum, sich an das Verhalten des Gegenübers anzupassen, um dadurch Vertrauen zu stärken.
Im Grunde geht es beim CFS Pacing ebenfalls um ein Anpassen. Und es geht um Vertrauen – denn wir möchten natürlich sicherstellen, dass unser Körper in Sicherheit ist und nicht noch mehr leidet. Ja noch mehr, wir möchten dass der Körper sich wieder erholt und heilt.
Pacing unterstützt also auf folgende Weise:
- Pacing unterstützt dabei, dass Symptome abgeschwächt werden und die Schwere der Fatigue etwas erleichtert wird.
- Pacing hilft, dass wir unserem Körper und Geist so viel Belastung wie nötig zumuten, ohne dass die Symptome dabei nennenswert stärker werden oder es zu einem Rückfall kommt.
- Pacing sorgt dafür, dass wir in einer gesunden Balance bleiben. Also bloß nicht überfordert sind, aber auch nicht unterfordert. Denn nur in diesem gesunden Mittelmaß kann der Körper sich besser regenerieren.
Was CFS mit einem Smartphone zu tun hat
Das Leben mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom kann man gut mit einem Smartphone vergleichen. Es hat verschiedene Funktionen, unterschiedliche Apps und natürlich einen Akku. Während wir als Ganzes in dem Vergleich das Smartphone sind, stellt der Akku unseren Energielevel da.
Und nun die drei Herausforderungen:
- Der Akku ist nie voll geladen, sondern maximal zu sagen wir 10 – 40%, je nach Schweregrad.
- Diese wenigen Prozent entladen sich noch schneller als bei einem funktionierenden Smartphone, abhängig von der Anfälligkeit des Smartphones und welche Funktionen und Apps gerade genutzt werden.
- Wenn der Akku leer ist, kommt es zu einem sogenannten Crash oder Rückfall. Die Beschwerden nehmen zu, der Körper ist komplett erschöpft. Das Gemeine: Bei CFS braucht es wesentlich länger, bis die Energiereserven wieder aufgeladen sind, also ihre 10-30% erreicht haben.
In dieser Illustration bedeutet Pacing, dass wir sehr darauf achten, welche und wieviele Funktionen und Apps wir in Betrieb haben. Immer nur die wichtigsten, um so viel Energie wie möglich zu sparen.
Dabei halten wir unseren Blick auf den Akkustand. Wenn die Batterie zu schnell entlädt, justieren wir neu und überlegen, welche Apps wir einsparen sollten. Also nicht Duschen, Essen kochen und etwas Bügeln, sondern nur eines der drei.
Diese Beispiele hängen natürlich auch wieder vom Schweregrad ab. Bei anderen mögen es auch größere Aktivitäten sein wie Spazierengehen, einen Besuch machen und Einkaufen. Oder noch mehr.
Ziel ist es, dass wir zu jeder Zeit innerhalb eines bestimmten Akkustandes bleiben und nicht in den roten Bereich kommen, in dem sich das Smartphone jede Sekunde ausschalten kann.
Achtung: Was noch mit dem Smartphone vergleichbar ist
Solange das Gerät noch einige Prozent an Energie geladen hat, können wir so gut wie alles damit machen. Musik hören, fotografieren, Nachrichten schicken.
Solange wir also nicht auf den Akkustand achten, merken wir gar nicht, wenn der Akku in den roten Bereich kommt!!
Bei älteren Geräten kann man irgendwann vielleicht die Kamera nicht mehr nutzen oder ein Video anschauen. Aber vieles andere geht noch, und zwar genauso gut als wäre das Gerät zu 100% geladen.
Ähnlich ist es auch in vielen CFS Situationen. Wenn wir uns manchmal Videos von Betroffenen anschauen, können wir den Eindruck bekommen, sie sind doch ganz gesund.
Sie sehen nicht erschöpft aus.
Sie reden normal.
Lächeln sogar.
Und tatsächlich können sie sich sogar für kurze Zeit genauso fühlen.
Sie gehen zur Toilette und spüren für kurze Zeit keine Erschöpfung. Manchmal kommt ihnen vielleicht sogar der Gedanke, ob sie womöglich doch gesund sind. Und dann kehren plötzlich in aller Härte die Symptome zurück. Oder werden wesentlich schlimmer.
Der große Unterschied zwischen einer gesunden Person und CFS Erkrankten liegt also in der Zeitdauer, in der sie ihre “Smartphone Apps” nutzen können.
Bei uns CFS Betroffenen ist die Energie schon nach kurzer Zeit und wenigen Aktivitäten aufgebraucht und wir sacken zusammen. Akku leer.
Und hier liegt die Gefahr:
Während dieser meist kurzen Zeiten, in denen wir uns doch ganz ok fühlen, können wir uns viel zu schnell überlasten. Als wollten wir die letzten Stunden, Tage oder Wochen aufholen, nutzen wir den Energieschub zu sehr aus … und erleben einen weiteren Crash.
Dabei meinen wir mit “Ausnutzen” noch nicht einmal die großen Aktivitäten wie Sport oder Frühlingsputz, sondern ein paar kleine weitere Anstrengungen.
- Noch schnell die Waschmaschine ausräumen und ein bisschen putzen.
- Oder eben noch mit dem Partner Einkaufen gehen.
- Oder einen schönen Spaziergang machen, nachdem ich doch jetzt wochenlang nur drinnen war.
- Oder einen der hilfreichen Newsletter lesen … oder für die Ausbildung lernen …. oder den Alltag einfach nur ein bisschen mehr normal aussehen lassen.
Für einen Moment fühlen wir uns dazu in der Lage.
Und das ist die Gefahr:
Dass wir diese Energie zu schnell wieder aufbrauchen, ja sogar in eine energetische „Schuldenfalle“ geraten. Wir haben mehr ausgegeben, als uns eigentlich zur Verfügung stand.
Denn dadurch könnten wir jahrelang in diesem Kreislauf steckenbleiben.
Was meine ich mit Kreislauf?
Wie wir durch Pacing den ständigen Kreislauf von Verbesserung und Verschlechterung unterbrechen können
Menschen mit chronischer Fatigue sagen oft, dass sich die Intensität ihrer Erschöpfung und Schmerzen variiert. Sogar am selben Tag. Das macht es schwer zu entscheiden, ob man etwas tun soll oder nicht.
Die meisten Menschen neigen dazu, mehr zu tun, wenn sie sich besser fühlen, und weniger, wenn sie sich kränker fühlen.
Es kann ein Tag kommen, an dem man es „übertreibt“, und dann braucht man vielleicht ein paar Tage, um sich auszuruhen.
Dieses Dilemma führt zu einem ständigen Auf und Ab.
Die Signale, die der Körper uns gerade jetzt sendet, sind deshalb nicht immer der beste Wegweiser dafür, was wir im Moment tun oder lassen sollten.
Bei vielen anderen Krankheiten, wie z.B. einer Grippe oder Magenverstimmung, spüren wir durch unsere akuten Beschwerden, dass wir dem Körper Ruhe gönnen sollten. Sind diese akuten Beschwerden verschwunden und fühlen wir uns wieder gesund, können wir es meistens als Zeichen deuten, dass wir wieder mehr aktiv sein können.
Bei ME/CFS ist es eben NICHT dasselbe.
Wenn wir für einige Zeit mal keine akuten Signale verspüren, ist das kein Zeichen dafür, dass wir wieder zu einem erhöhten Aktivitätslevel zurückkehren können.
Die Gefahr eines Rückfalls ist einfach zu groß.
Deshalb ist Pacing so wichtig.
Zum Glück ist Pacing keine komplizierte Wissenschaft.
Und doch sind ein paar Dinge dabei zu beachten.
Die sieben Schritte im Pacing
1. Meine Belastungsintoleranz akzeptieren
Solange ich mein CFS – also dieses Charakteristische Funktionsuntüchtige Smartphone” 🙂 nicht als Realität akzeptiere, gehe ich immer wieder über meine Grenzen. Deshalb ist der erste Schritt, dieses Energieproblem und die Belastungsintoleranz sehr ernst zu nehmen. Ich muss mich von den inneren Bildern verabschieden, wie ein diszipliniertes Leben auszusehen hat.
2. Für Stabilität entscheiden
Als nächstes mache ich es zu meinem Ziel, meine Energieressourcen auf einem bestimmten Level zu halten. Ich entscheide mich dafür, meine Aktivitäten sehr bewusst zu kontrollieren und die Gefahr zu vermeiden, dass es zu einem weiteren Crash kommt. Denn jede weitere Akkuentleerung verzögert den Heilungsprozess.
3. Achtsamkeit lernen
Ich beobachte mich bewusst, erspüre welche Aktivitäten wieviel Energie entziehen und wie es mir geht. Dadurch bekomme ich ein Gespür für meine innere “Batterieanzeige” und für die Signale, die mir mein Körper sendet. Dafür mache ich mich immer mal wieder auf die Suche nach Innen, um den Akku-Stand meines Körpers zu erspüren.
4. Grundlinie ermitteln
Die Grundlinie beim Pacing ist das Ausmaß an Aktivität, das wir bewältigen können, ohne dass unsere Symptome nennenswert schlimmer werden. Und zwar in jeder Situation – ob wir uns gerade gesünder fühlen oder nicht. Deshalb ist diese Grundlinie (Baseline) meist unter dem Aktivitätsniveau, das wir gerne hätten und was wir oft versuchten zu erreichen.
Um diese Grundlinie zu ermitteln, ist wie schon erwähnt ein gutes Körpergefühl wichtig. Aber eben nicht ausreichend, weil die Folgen einer Überlastung oft erst Stunden oder Tage später spürbar sind.
Deshalb hilft es, ein Aktivitäts-Notizbuch anzulegen. Wir können uns die einzelnen Aktivitäten und Dauer aufschreiben und dazu notieren, wie viel Energie uns diese Aktivität zieht und wie anstrengend sie für uns ist.
Dadurch bekommen wir immer mehr ein Gespür dafür, welche Tätigkeit uns viel, mittelmäßig oder wenig Kraft kostet. Und dementsprechend können wir immer besser festlegen, welche Kombination an Tätigkeiten ich für einen Tag planen kann, ohne über meine Grenzen zu gehen.
5. Das Aktivitäts-Niveau bestimmen
Wie gesagt: Aktivitäten können sowohl mentaler als auch körperlicher Art sein. Diese passen wir nun entsprechend der Grundlinie an. Das heißt, dass wir nur so viel tun, wie wir es in unseren schlechteren Zeiten schaffen.
Dieses Maß an Aktivität behalten wir auch bei, wenn wir uns mal besser fühlen und am liebsten einiges nachholen wollen.
Die Empfehlung beim klassischen Pacing liegt dabei bei einem Aktivitätsniveau von 50% – max. 70%. Das heißt, dass ich nur max. 70% von der Kraft nutze, die mir in meinen schlechten Zeiten zur Verfügung steht. Ich höre also auf, bevor es anstrengend wird.
Und in meinen guten Zeiten beherrsche ich mich, sodass ich nicht über mein abgestimmtes Aktivitätsniveau gehe, weil ich mich ja “gerade so gut fühle”.
6. Regelmäßig erholen
In der Metapher eines kaputten Smartphones ist es wichtig, das Gerät immer wieder zwischendurch aufzuladen.
Nutzen – Aufladen – Nutzen – Aufladen.
Beim Gerät geht dies sogar gleichzeitig. Bei uns Menschen funktioniert es in der Regel nur nacheinander.
Das heißt, dass wir immer wieder Ruhepausen einbauen und Dinge tun, die uns mental und körperlich Energie geben.
Zum Beispiel einfach nur liegen und an nichts denken. Oder schlafen, meditieren, ein Basenbad nehmen, Entspannungsmusik hören.
Nichts tun ist bei ME/CFS oft genau die Aktivität, in der richtig viel passiert.
Wenn wir ohne schlechtes Gewissen oft und regelmäßig nichts tun können, sind wir auf einem sehr guten Weg.
Dabei ist noch mal wichtig zu betonen, dass wir bei ME/CFS weder Energie auf Vorrat aufsparen können noch später nachholen können. Deshalb kommt es beim Pacing darauf ein, eine gesunde Mischung aus Tätigkeit und Ruhe zu haben.
Eine ungesunde Reihenfolge wäre:
Größere Tätigkeit – kleine Tätigkeit – kleine Tätigkeit – mittelschwere Tätigkeit – Ruhe – Entspannen – Schlafen – Meditieren – Ruhe
Eine gesunde Reihenfolge wäre:
Ruhe – Größere Tätigkeit – Entspannen – kleine Tätigkeit – Meditieren – kleine Tätigkeit – Schlafen – mittelschwere Tätigkeit – Ruhe
Anders ausgedrückt: Nicht eine Tageshälfte anstrengen und die andere Tageshälfte ausruhen, sondern immer kleine Ruhepausen zwischendurch einbauen.
7. Aktivitäten vorsichtig steigern
Wenn wir durch die ersten sechs Schritte für eine gewisse Zeit auf einem stabilen Plateau geblieben sind, können wir die Aktivitäten langsam und vorsichtig steigern.
Die Betonung liegt auf langsam und vorsichtig.
Es geht immer darum, dass ich nur etwas mehr tue, ohne dass sich die Beschwerden nennenswert verschlechtern.
Also wirklich kleine Schritte gehen.
Zum Beispiel statt 100 Meter nun 150 Meter Spazieren gehen. Wenn es mir durch diese Steigerung auch nach mehreren Malen nichts verschlechtert hat, kann ich langsam auf 200 Meter steigern.
Und so weiter.
Ziel ist es, dass wir unserem Körper immer mehr Aktivität zumuten können, ohne dass dieser mit einem weiteren Rückfall reagiert.
Aso dass wir langsam wieder auf die Beine kommen.
In der Pacing-Broschüre der Oxfort University Hospitals heißt es: If you continue to exercise at your baseline level, you are unlikely to make progress. You need to gradually increase the amount of exercise you do. This is called pacing.
Es geht also darum, sich langsam zu steigern. Aber Vorsicht:
Verwechsle dies nicht mit der Graded Exercising Therapie, kurz GET genannt. Diese Therapie-Form wird zum Beispiel oft im Rahmen einer Rehabilitation genutzt. Nach einer Krankheit soll z.B. in einer Reha-Einrichtung die Belastung für den Körper kontinuierlich gesteigert werden, damit er wieder fit gemacht wird.
Diese GET Therapie hat sich bei ME/CFS und Long-Covid als ungeeignet, ja als zu gefährlich herausgestellt.
Nein, es geht um ein sehr vorsichtiges und der eigenen Belastung angepasstes Erweitern der eigenen Grenze. Wenn wir diese Art des Pacing mit weiteren therapeutischen Schritten und Untersuchungen verknüpfen, besteht eine große Chance, dass es uns dadurch besser gehen wird.
Wenn es uns nur um 20% besser geht, wäre es schon gut, oder?
Aber vielleicht sind sogar 40% möglich.
Oder 60%.
Mehrere der Hoffnungsgeschichten auf dieser Webseite erzählen sogar von einer kompletten Genesung.
Es gibt also Hoffnung.
Um diese Hoffnung noch etwas mehr zu füttern, hier noch eine …
Podcast-Folge übers Pacing zum Anhören
Unabhängig zu diesem Artikel gibt es auch eine Podcast-Folge zu diesem Thema. Manches überschneidet sich sicher, aber es lohnt sich, diese Folge noch einmal extra zu hören.
Zum Schluss noch 9 weitere Tipps und Wiederholungen für ein richtig gutes Pacing
- Nimm das Thema Pacing sehr ernst. Es kann dir viele Verschlimmerungen ersparen.
- Baue nach jeder Aktivität eine Ruhepause ein, damit du sicherstellst, dass du dich nicht vollständig erschöpfst.
- Überlege, wie du manche Aktivitäten leichter und weniger anstrengend machen kannst. Zum Beispiel durch bewusstes tiefes Atmen während der Tätigkeit. Oder Reduzierung der Menge oder Intensität.
- Achte darauf, dass du beim Pacing nicht nur die langweiligen Dinge tust, sondern gerade auch schöne Dinge und Aktivitäten mit einbaust, die vielleicht etwas mehr Energie fordern, aber gleichzeitig auch Energie geben.
- Nutze deine krankheitsbedingten Auszeiten, um dich von möglichen Schuldgefühlen oder ungesunden Glaubenssätzen zu befreien, die dich davon abhalten wollen, dass du liebevoll auf dich achtest.
- Probiere alle möglichen Arten von Erholung aus. Meditationstechniken, Atemübungen, eine persönliche Musik-Playlist, EFT-Klopftechnik, Yoga, Qigong, Powernapping, Basenbad, beruhigende mentalen Bilder, …
- Manche Menschen, Nachrichten oder bewegte Bilder können emotional sehr anstrengend sein. Justiere auch hier die Menge an Menschen und Nachrichten, die du dir zumutest.
- Auch wenn es bei ME/CFS hauptsächlich um einen Mangel an körperlicher Energie auf Zellebene geht, so spielen die Emotionen eine wichtige Rolle. Finde neue Wege, wie du dich emotional in einen guten Zustand versetzen kannst und dadurch zusätzliche Energie tankst.
- Informiere dich weiter über Pacing, z.B. bei der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS, in der Facebook-Gruppe Gemeinsam stark fürs Pacing oder in dem großartigen Pacing-Workbook.
Zum Schluss: Das Thema Pacing scheint so wichtig zu sein, dass es in Zukunft bestimmt noch mehr Forschung, wissenschaftliche Studien und praktische Hilfen geben wird. Vielleicht kennst du sogar schon deutsche oder internationale Forschungsprojekte oder weitere Ressourcen und kannst dies in den Kommentaren erwähnen!?
Überhaupt wäre es großartig, wenn du in den Kommentaren deine eigenen Erfahrungen kurz schilderst:
Was hilft dir persönlich am meisten beim Pacing? Welchen guten Tipp oder aktuelle Frage hast du für uns?
Danke für dein Kommentar!
PS: Viele Tipps, um beim Pacing eine Ruhepause einzulegen, findest du auch in dem Artikel, wo 30 Möglichkeiten vorgestellt werden, wie du deinen Vagusnerv massieren kannst.
Super geschrieben und sehr gut zu Lesen. Danke dafür! Ich konnte einiges an Tipps und Ratschlägen mitnehmen aus diesem Bericht. Echt klasse. Achtsamkeit muss ich mehr trainieren, ich bleib am Ball. Danke euch für diese super Seite
Ganz herzlichen Dank, liebe Marion. Dieses Feedback bedeutet uns viel. Ich wünscche dir, dass es dir mit Pacing, Achtsamkeit und anderen Maßnahmen bald besser gehen wird.
die kommentare von johannes schulte sind genial – ich habe seit meiner corona infektion cfs und brauchte dringend ein paar gute tipps. die art und weise wie er alle symptome und den umgang mit cfs erklärt macht beinahe gute laune und hilft auf jeden fall besser umzugehen mit der leider sehr depremierenden diagnose
Vielen Dank, liebe Erika, für deinen Mut machenden Kommentar. Ich wünsche dir, dass du weiterhin den Mut behältst und manche Tipps die persönlich weiterhelfen. Liebe Grüße!
Das ist das beste, was ich bislang über Pacing gelesen habe. Danke dafür!
Vielen Dank, Marianne, für dein Feedback. Ich wünsche dir von Herzen alles alles Gute!